Hoffnung auf den Dachlatten-Effekt

■ Rote und Grüne prügeln im Vorfeld der Landtagswahl von Nordrhein-Westfalen im nächsten Mai aufeinander ein

Bochum/Unna (taz) – Nun ist es auch formell beschlossen: Die nordrhein-westfälischen Bündnisgrünen „sind bereit, gemeinsam mit der SPD Regierungsverantwortung für NRW zu übernehmen“. Im Prinzip! Ob dieses von Linken wie Realos gleichermaßen ratifizierte Bekenntnis indes im Fall der Fälle den Praxistest überlebt, steht dahin.

Mit der realexistierenden SPD geht es nach den Worten des – inzwischen zum Meinungsführer der NRW-Linken aufgestiegenen – Landtagsabgeordneten Daniel Kreutz jedenfalls nicht. Auf dem am Wochenende stattgefundenen Programmparteitag in Unna erhielt Kreutz viel Beifall, als er erklärte, „CDU und SPD stehen für eine sehr ähnliche Politik. Die SPD interpretiert sie nur anders. Wir könnten es uns sparen, für Rot- Grün zu trommeln, wenn die SPD bei der Landtagswahl am 14. Mai noch so ist wie heute“. Nur bei einem Verlust der absoluten Mehrheit würde die SPD sich ändern, dann „weist Dachlatten-Börner den Weg“.

Fünfzig Kilometer westlich von Unna, in der Bochumer Ruhrlandhalle, stimmten sich zur gleichen Zeit 2.000 sozialdemokratische AktivistInnen auf den Wahlkampf ein. Bei ihren Attacken auf die Grünen erinnerten sie sich tatsächlich an den früheren hessischen Ministerpräsidenten Börner, der sich die Grünen einst mit der Dachlatte vom Leibe halten wollte. Johannes Rau selbst, der bei der Wahl zum vierten Mal die absolute Mehrheit erringen will, verlor über die Grünen zwar kein Wort, aber die zweite Reihe teilte mächtig aus.

Gabriele Dehler, stellvertretende Landesvorsitzende, geißelte die Bündnisgrünen mit Blick auf die zahlreichen schwarz-grünen kommunalen Bündnisse als die „neue FDP“ und bot „Volksweisheiten“ an: „Wer nach allen Seiten offen ist, der ist nicht ganz dicht.“ Der Saal johlte darüber ebenso erfreut wie bei dem Versuch von Wahlkampfleiter Peter Wind, die Grünen als bloße Steigbügelhalter der CDU zu denunzieren. Diese Variante, quasi als Anti-Rot- Grün-Gift gegen die Sympathisanten eines solchen Bündnisses in den eigenen Reihen gedacht, hörte sich so an: „Die Grünen haben es bewiesen. Sie legen sich auch mit der CDU ins Bett, nur um einen Zipfel der Macht zu bekommen.“

Michael Vesper, Oberrealo und Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Landtag, bucht solche Sprüche locker als Wahlkampfgetöse ab. Vesper glaubt nach wie vor, daß mit der SPD in NRW tatsächlich ein „Reformbündnis“ zustande kommen kann: „Für mich ist Rot-Grün mehr als nur eine Notlösung. Ein solches Bündnis ist um des Landes willen einfach notwendig.“ Skeptisch bleibt hingegen die linke Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn. Sie meint, „diese SPD blinkt links und biegt rechts ab. Die SPD in NRW ist ja nicht Teil der Lösung, sie ist Teil des Problems.“ Der Satz findet sich wortgleich im beschlossenen Programm wieder – verabschiedet auch mit Zustimmung von Vesper. Zur Zeit sieht es allerdings nicht danach aus, daß aus dieser rot-grünen Balgerei letztlich doch noch eine neue Politik erwachsen könnte. Die Demoskopen haben gesprochen. 60 Prozent der nordrhein-westfälischen Bürger erwarten nach den Analysen des Münchener Meinungsforschers Horst Becker einen Sieg der SPD, aber nur 49 bis 51 Prozent wollen dies auch wirklich. Deshalb warnte Becker die Genossen in Bochum. Weil 15 bis 20 Prozent der SPD-Wähler nur schwache Bindungen an die Partei hätten, sei die Erwartung, „der Trend laufe zwangsläufig auf die SPD zu, falsch“. Walter Jakobs