Sehen, hören, riechen, schmecken

■ Ein Jahr lang John Cage in Ton, Bild, Film und Menü in der Galerie Gruppe Grün

Ganz so, wie in der Überschrift ist es nicht, aber fast: das Jahresprogramm der Galerie Gruppe Grün in Fedelhören ist unter dem Titel “caged-uncaged“ dem Mann gewidmet, der wie keiner die traditionelle Musikgeschichte umgestoßen und die „strenge Vernachlässigung kategorialer Grenzen“ (Dietmar Polaczek) zum ästhetischen Prinzip erhoben hat: John Cage. Zu seinem 75. Geburtstag gab es in Köln ein Projekt: 24 Stunden nonstop Musik von John Cage. Nun hat sich der Künstler und Galerist Hermann Stuzmann, immer einfallsreich für Ausgefallenes und Querschießendes zusammen mit Sabine Straßberger, Brigitte Bader und Bert Haffke etwas Besonderes einfallen lassen: ein einjähriges Festival, dessen imaginärer und geistiger Mittelpunkt John Cage ist. Und im Sinne von Cage selber, der darum kämpfte, das alles Musik sei, unser Alltag, unsere Geräusche, unser Leben, kann man dann schon sagen: ein Jahr John Cage.

Was genau? Heute abend gehts los mit dem „Winterblock“, wie die VeranstalterInnen es nennen: Dietmar Kierstein spielt Klaviermusik von John Cage. Dazu gibt es einen biographischen Film und eine Ausstellung einiger Partituren: die die Musik auch bildlich zeigen.

Diesem Musikblock folgt die erste Ausstellung eines bildenden Künstlers: Ralph Kull mit „Soll und Haben“. Alle sechs Künstler wurden von der Konzeptgruppe angesprochen, sie sind einem gemeinsamen grundsätzlichen Gedanken verpflichtet: sie setzen sich in Bildern und Installationen mit dem Raum auseinander, Cage ist ein „imaginärer Gast“, der Umgang mit ihm ist assoziativ, keinesfalls wissenschaftlich.

Unvergeßlich, wie John Cage 1982 anläßlich der damaligen „Pro Musica Nova“ mit seinem Pilz- und Mandelkörbchen, immer freundlich und für alle ansprechbar, tagelang in Bremen war. Dem Wirbel um seinen 80. Geburtstag 1992 entzog er sich: er starb kurz vorher. Sein besonders von den östlichen Philosophien beeinflußtes Denken jedoch trägt weiterhin: es ist der Versuch, Hierarchien und Institutionen, Rituale und Gewohnheiten zu hinterfragen und dafür eine künstlerische Umsetzung zu finden.

Eine zweite Einheit im März bietet ein interdiszilinär besetztes Podiumsgespräch über die Aktualität von John Cage. Der „Sommerblock“ hat Stimme und Sprache zum Thema, im Herbst- und Winterblock gibt es noch einmal ein reiches Angebot an Konzerten und Lesungen unterschiedlicher Art. Zum Schluß wird Hermann Stuzmann kochen, „aber es gibt nichts zu essen“. Sabine Strasburger wird sich dem auch bei Cage stets präsenten Spannungsfeld Bild-Sprache nähern, Bert Haffke wird zusammen mit Peter Neumann keine Bilder zeigen, sondern in einer „akustischen Addition“ Alltagsgeräusche in die Galerie hineinholen: dies nur zwei Beispiele eines ebenso reichen wie einfallsreichen, eines anregenden und konzeptionell ungemein schlüssigen Programmes.

Und die Finanzierung? Wie gehabt bei Gruppe Grün, Selbstausbeutung und Kleinsponsoren, ein paar Mark Mitgliedsgelder und „ein kleines Polster“ (Stuzmann).Nicht ganz unwichtig: der Eintritt für alle Veranstaltungen ist frei.

Ute Schalz-Laurenze

In der Galerie Gruppe Grün, Fedelhören 32: Heute 20 Uhr Klavierabend Dietmar Kirstein. Bis 27. 1. Ausstellung Notenblätter von Cage. 25. 1. 20 Uhr: „Utopie im Niemandsland“, biographischer Film, 10.2. bis 10.3. Ausstellung „Soll und Haben“ von Ralph Kull.