Drei vom Theater besoffene Wiesel

■ Im Brauhauskeller kehrt Harold Pinters „Hausmeister“ mit neuem Besen und drei neuen Hexenmeistern

“Das Wiesel in der Bar“, gab der englische Dramatiker Harold Pinter zur Antwort, als er wieder einmal erklären sollte, was denn die Bedeutung seiner Stücke sei. So absurd das Nagetier hinterm Tresen wirkt, für einen Autor, der des Absurden Theaters angeklagt wird, scheint es zumindest eine wirkungsvolle Formel zu sein. Endlich Schluß mit den Selbstinterpretationen! Allerdings findet Pinter das vollkommen bedeutungslose Wiesel nun in den Texten über seine Stücke wieder – wie in dieser Rezension.

Kay Neumann, der sich für seine erste Regiearbeit das Pinter-Stück „Der Hausmeister“ gewählt hat, scheint sich weder mit tiefschürfenden Erklärungsmodellen des Absurden noch mit zeitbezogenem interpretatorischem Überbau lange belastet zu haben. Und das ist gut. So dürfen sich seine Schauspieler in ihre Figuren verlieben und die Skurrilitäten der britischen Hausmeisters-Existenz voll auskosten.

Da ist Aston, leicht verwirrt und nach einer Elektroschockbehandlung mehr als schräg drauf. Um sich wieder in die normalen Arbeitszusammenhänge zu integrieren, soll er eigentlich das heruntergekommene Haus, in dessen Keller er haust, renovieren. Wie zu erwarten, ist der Arbeitseifer irgendwie gebremst.

Dirk Plönissen gelingt es, die Ticks des Verstörten zu einem schauspielerischen Kabinettstückchen zu verwandeln, in dem die grimmig vorgeschobene Stirn, abgehackte Bewegungen und roboterhafte Sprechweise den Eindruck erwecken, als sei Frankenstein aus dem Filmhimmel herab auf die Bühne gestiegen. Statt laubsägenbewehrter Do-it-yourself-Mentalität sehen wir Aston den ganzen Abend über an ein und demselben Stecker herumschrauben. Am Ende schafft er es wenigstens, das gute Stück zu zerlegen. Als er dann Davies, dem obdachlosen Penner, Unterschlupf gewährt, kommt Dynamik in die resignative Apathie. Plötzlich herrscht im Souterrain, möbliert mit einem alten Rasenmäher und einer umgedrehten Badewanne ein neuer Ton. Der doppelte Boden, den Bühnenbildner Nikolaus Porz unter die luftigen Kellerdielen eingezogen hat, beginnt zu schwanken. Indirekt beleuchtet, reflektiert eine spiegelglatte Wasseroberfläche einfallendes Licht und verwandelt den überschwemmten Keller in ein schwankendes Schiff.

Kaum ist Davies, den Sven Lehmann als geschwätzigen und permanent Gemeinplätzen absondernden Freak zeichnet, eingezogen, ruft er Astons Bruder Mick auf den Plan. Mick ist besorgt, nicht nur um sein Renovierungsprojekt, mehr noch sieht er seinen Bruder im Einflußbereich des Asozialen in Gefahr. Also baut er eine Falle, um den korrupten Davies bloßzustellen.

Mit der Verve eines Versicherungsvertreters im Außendienst gaukelt Mick (Pierre Bresson ) dem ungebetenen Gast die verführerische Perspektive seines künftigen sozialen Aufstiegs als Hausmeister vor. Dann, ja dann, werden Messingklingelschilder im Abbruchhaus angebracht und er könne „Auskünfte erteilen“.

Der Trick gelingt, Davies läßt sich verführen und stellt sich damit gegen seinen wohltätigen Gönner Aston. Der kapiert endlich, auf welche Made im Speck er sich da eingelassen hat, setzt den unzuverlässigen Wendehals auf die Straße. Daß aus Pinters Hausmeister, außer einem betrunkenen Wiesel, keine weltbewegenden Neuigkeiten hervorkriechen werden, konnte Regisseur Kay Neumann offensichtlich voraussehen. So hat er ganz auf die Schauspieler gesetzt und ohne großen konzeptionellen Überhang dem Hausmeister einen neuen Besen in die Hand gegeben. Mit Pierre Besson, Dirk Plönissen und Sven Lehmann sind am Bremer Theater drei junge Schauspieler verpflichtet worden, die in dieser Saison schon mehrmals ihr Können zeigten, aber hier endlich die Bühne für sich allein haben. Sie spielen dieses 1960 geschriebene Stück, als verbänden sie damit eine persönliche Verpflichtung. Und auch wenn im ersten Teil manche Kürzung angebracht wäre, die eine oder andere Marotte der Darsteller etwas überzogen wirkt, das Rezept stimmt: Wer spannendes Theater machen will, der sollte sich vor allem mit leidenschaftlichen Schauspielern verbünden. Susanne Raubold

Nächste Vorstellung im Brauhauskeller am Samstag um 20.30.