: Stunden hochrechnen reicht nicht
■ Arbeitszeitverkürzung, nach welchem Modell auch immer, bringt faktisch weniger Arbeitsplätze als rechnerisch wegfallen
Die Gleichung ist simpel – doch der Teufel steckt wie immer im Detail. Politiker, Gewerkschafter und Unternehmer sind sich darin einig, daß neue Arbeitsplätze nur geschaffen werden können, wenn es gelingt, die vorhandene Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen. „Teilzeitarbeit“ war und ist das Zauberwort der Bundesregierung. Läßt sich damit der gewünschte Effekt erreichen?
Die Unternehmensberater von McKinsey & Company legten im letzten Jahr eine Studie vor, in der behauptet wurde, daß durch die flächendeckende Einführung von flexiblen Teilzeitmodellen in Deutschland rund zwei Millionen neue Jobs geschaffen würden. Und weil TeilzeitarbeiterInnen motivierter zur Sache gingen, steige in den Unternehmen auch die Produktivität.
Der Kanzler kannte die Studie. Und im Bundestagswahlkampf avancierte das Schlagwort „Teilzeitarbeit“ zum Kampfbegriff der Bundesregierung, wenn es darum ging, ein „Rezept“ zum Abbau der dauerhaft hohen Arbeitslosenzahlen vorweisen zu müssen.
Aber die Sache ist zweischneidig. McKinsey konnte zwar nachweisen, daß durch Teilzeitarbeit tatsächlich die Produktivität erhöht wird, die Personalkosten um bis zu 15 Prozent reduziert und die Lagerbestände um bis zu 10 Prozent abgebaut werden können, weil „just in time“ produziert wird. Aber den entscheidenden Beweis bleibt die renommierte Firma schuldig: Es ist fraglich, ob mit der Einführung von Teilzeitarbeit tatsächlich zwei Millionen neue Jobs geschaffen werden können.
Die Prognose der Unternehmensberater stützt sich auf (Rahmen-)Bedingungen, die in Deutschland noch nicht einmal im Ansatz existieren. Weder sind alle Unternehmen bereit, auch qualifizierte Teilzeitarbeit in dem von McKinsey geforderten Ausmaß anzubieten, noch gibt es eine Garantie dafür, daß „eingesparte“ Arbeitsstunden dann zu Neueinstellungen führen, wie von McKinsey kühn unterstellt.
Auch hier ist die Gleichung theoretisch wieder simpel, wie es das Institut der deutschen Wirtschaft 1994 vorrechnete: Laut Umfragen würden rund 9 Prozent der Beschäftigten einen Teilzeitjob annehmen, wenn er ihnen angeboten würde. Die so „eingesparten“ Stunden, auf neue Arbeitspätze hochgerechnet, würden dann rund 2,6 Millionen Menschen in Lohn und Brot bringen – theoretisch.
Noch ist auch das 4-Tage-Modell unter Einbeziehung von Samstagsarbeit und ohne Lohnausgleich nur Theorie. Das weiß man auch beim DGB. Und deshalb hat der DGB-Vorsitzende Dieter Schulte sein „Modell“ mit der Forderung nach einer „Neueinstellungsgarantie“ verknüpft. Als bei VW die 4-Tage-Woche eingeführt wurde, ging es um die Sicherung vorhandener Arbeitsplätze. Rund 1,5 Milliarden Mark haben die Wolfsburger so an Personalkosten einsparen können. Doch das Geld wurde nicht für beschäftigungssichernde Maßnahmen reinvestiert, sondern auf das Konto von Seat überwiesen – zur Sanierung der maroden Tochter in Spanien.
Gestandene Betriebsräte, wie etwa Klaus Franz von der Adam Opel AG, fordern deshalb zunächst eine genaue Auswertung etwa der Erfahrungen bei VW. Sonst bleibe auch der Schulte-Vorstoß eine „unausgegorene akute Reaktion auf ein aktuelles Problem“. Klaus-Peter Klingelschmitt
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