Mietwucher vor Gericht

■ Hausbesitzerin nahm von sechs AussiedlerInnen 1200 Mark Miete für einen unbewohnbaren Schuppen: „Nur an den Sätzen des Sozialamtes orientiert“

Nein, Gitta Z. hat sich nichts dabei gedacht, sagt sie. Eigentlich hat sie vornehmlich „aus Mitleid“ gehandelt, meint selbst ihre Anwältin. Alles übrige sei mehr oder weniger Zufall gewesen.

1993 arbeitete Gitta Z. beim Sozialwerk der freien Christengemeinde und betreute dort AussiedlerInnen. Als schon länger in Deutschland weilende Rußlanddeutsche telefonisch im Heim nach Plätzen für Verwandte anfragten, war nichts mehr frei. Da dachte Gitta Z. an ihren Schuppen, der ihr in besseren Zeiten einmal als Textillager gedient hatte. Zwei Räume, davon einer ohne Fenster, unzureichende Isolierung, kein Wasseranschluß, kurz: „Zu Wohnzwecken völlig ungeeignet“, wie das Bauordnungsamt später feststellen würde.

Am 1.2.93 zogen sechs Rußlanddeutsche in den 35 Quadratmeter kleinen Schuppen ein und bezahlten bis zum 31.5.93 monatlich 1200 Mark Miete. Zum 1.6.93 fanden drei BewohnerInnen eine Wohnung, die drei anderen blieben bis Ende Juli und zahlten 600 Mark. „Ich habe mich nur an den Sätzen des Sozialamtes orientiert,“ verteidigte Gitta Z. die schwindelerregende Mietsumme. Schließlich zahle das Amt im Heim ebenfalls 200 Mark pro Kopf. „Da geht es auch nach Personenzahl und nicht nach Quadratmetern.“

Erst eine Ärztin vom Gesundheitsamt entdeckte bei einem Besuch der AussiedlerInnen den Wucher. Ob das noch mit rechten Dingen zugehe, wollte sie vom Staatsanwalt wissen. Der verneinte, wollte es aber bei einer Art Vergleich mit Gitta Z. beruhen lassen: 10.000 Mark solle sie zahlen, und zwar 4000 an die Staatskasse, 6000 an die gemeinnützige „Einrichtung Wohnungshilfe“.

Die Haus- und Schuppenbesitzerin stimmte zu, doch fortan war nichts mehr von ihr zu hören. Am 2.11.94 eröffnete daraufhin die Staatsanwaltschaft das Hauptverfahren und verurteilte Gitta Z. wegen Mietwuchers zu 100 Tagessätzen a 60 Mark. Diesmal reagierte die Beklagte prompt und legte Berufung ein.

Anzahl und Höhe der Tagessätze, meinte sie in der gestrigen Verhandlung, „erscheinen mir doch ein bißchen hoch.“ Schließlich habe sie drei Kinder, und ihr Mann erhalte als „ausländischer Student“ kein Bafög. Er verdiene lediglich 560 Mark monatlich durch Putzen, sie selbst habe als Aushilfsköchin und Putzhilfe ebenfalls nur 680 Mark. Ihr Haus sei schwer belastet, feilschte sie, die Bank habe weitere Kredite versagt.

„Ja meinen sie denn, Sie können die 6000 Mark, die Sie an Mieteinnahmen hatten, behalten?“, fragte Staatsanwältin Friedrichsen, die offensichtlich wie der Richter der Meinung war, daß Gitta Z. mit 6000 Mark Strafe ein eher harmloses Urteil widerfahren war. Auch glaubte kaum jemand im Gerichstsaal der Angeklagten, als sie behauptete, nicht gewußt zu haben, daß ihre UntermieterInnen teilweise die Miete aus eigener Tasche zahlen mußten. „Ich habe das Geld immer nur in bar gekriegt“, behauptete sie. Sie habe immer gedacht, es käme vom Sozialamt, und da seien die Sätze nun mal so hoch.

„Ein Denkfehler“, versuchte ihre Anwältin zu verharmlosen. Doch vergeblich: Das Gericht befand das Strafmaß von 6000 Mark als angemessen und riet der Angeklagten, das Rechtsmittel der Berufung zurücktzuziehen. „Das wird doch immer teurer“, warnte der Richter.

Gitta Z. nahm schließlich das Urteil an. Draufzahlen aber muß eigentlich nur der Sozi. Der nämlich kann sich trotz des Urteils nichts von Gitta Z. zurückholen, bedauert Wolfgang Beyer, Sprecher des Sozialressorts: „Es gibt kein Rechtsverhältnis zwischen dem Vermieter und dem Sozialamt.“

Dora Hartmann