„Dann klappt das eben nicht...“

■ Ausführungsgesetz von 1969 baut unüberwindliche Hürden vor das Recht auf Volksbegehren

Am 16. Oktober hat Bremen mit großer Mehrheit der neuen Landesverfassung zugestimmt und damit auch die Hürde für ein Volksbegehren halbiert. Doch wer den Versprechungen glaubt, damit sei der Weg frei für dieses Mittel der direkten Demokratie, der sieht sich inzwischen getäuscht. Denn die Ausführungsbestimmungen verlangen zum Beispiel, daß die erforderlichen rund 50.000 Unterschriften innerhalb von nur neun Tagen gesammelt werden müssen. Und das nicht etwa in Veranstaltungen und auf der Straße, sondern unter Vorlage des Personalausweises in Ortsämtern und anderen Behörden.

Eine „Riesensauerei“ findet die Vorsitzende des Zentralelternbeirats (ZEB), Marianne Isenberg, die bürokratischen Hindernisse, die dem Volksbegehren im Weg stehen. Und Hartmut Frensel, Bezirksleiter der DAG, hält das Ausführungsgesetz zum Volksentscheid für ein „Verhinderungsgesetz“. Der ZEB wollte das neue Recht nach der Verfassungsänderung nutzen, um per Volksbegehren für bessere Unterrichtsversorgung, Lehr- und Lernmittelfreiheit und weniger Schulraumnot zu sorgen. Die DAG möchte die Zwangsmitgliedschaft in den Arbeitnehmerkammern zur Volksabstimmung stellen. Als Termin hatten DAG und ZEB die Bürgerschaftswahl im September im Auge. Denn nur parallel zu einer allgemeinen Wahl besteht überhaupt Hoffnung, die vorgeschriebene Mindestbeteiligung von 50 Prozent der Wahlberechtigten an einer Volksabstimmung zu erreichen.

Das geltende Ausführungsgesetz zum Volksentscheid stammt von 1969. Zwar sieht die Bremer Landesverfassung Volksabstimmungen bereits seit 1949 vor, doch an eine konkrete Regelung dieses Rechts hatte offenbar niemand gedacht. Schließlich ist es bis heute nie ausgeübt worden. 1969 allerdings zeichnete sich im Rahmen der heißen Diskussion um die Notstandsgesetze erstmals ein Thema für ein Volksbegehren ab. „Das Ausführungsgesetz sollte dazu dienen, das Verfahren beim Volksbegehren zu verschärfen“, meint der Bremer Professor für Öffentliches Recht, Gerhard Stuby, nach dem Studium der damaligen Bürgerschaftsdiskussion.

Ein „Riesenproblem“ sei die konkrete Ausgestaltung des Verfassungsrechts auf Volksbegehren, sagt der Bürgerschaftsabgeordnete Hermann Kuhn, der für die Grünen im Ausschuß zur Änderung der Landesverfassung saß. Die „Bereitschaft, das bis ins einzelne zu diskutieren“ sei dort „sehr gering“ gewesen. So hat die Bürgerschaft die Frage inzwischen an den Innensenator weitergereicht.

Zuständig ist dort Landeswahlleiter Dieter Matthey. Seine Mitarbeiter haben bereits einen „ersten Arbeitsentwurf“ für eine Neufassung des Ausführungsgesetzes zum Volksbegehren vorgelegt. Darin sollen die unüberwindlichen Hürden durch ein „schlankes und billiges Verfahren“ ersetzt werden. Insbesondere soll die Frist für die Sammlung der 50.000 Unterschriften auf „mindestens drei Monate“ verlängert werden. Und unterschrieben werden darf dann überall, nicht nur – wie nach bisheriger Gesetzeslage – in den „Auslegestellen an Werktagen innerhalb der Dienststunden sowie von 9-13 Uhr an Sonntagen, gesetzlichen Feiertagen und am Sonnabend“.

Doch das neue Gesetz kommt „frühestens im März“ in den Senat, meint Matthey. Damit kann es nicht vor Mai in Kraft treten. Die Unterschriftensammlungen für die Volksbegehren von DAG und ZEB würden damit genau in die Sommerferien fallen. Kein Problem für Wahlleiter Matthey: „Die müssen eben den Mut haben, auch mal in den Ferien loszulaufen. Und wenn das dann nicht klappt, dann klappt es eben nicht.“ Ase