: Wie man einen „Skandal“ inszeniert
■ Selbstanzeige von Menschenrechtler führt zu 700 Ermittlungsverfahren
Frankfurt/Main (taz) – „Die geplante Kriminalisierung von über 700 menschenrechtlich engagierten Personen ist ein Skandal.“ Der Sprecher des Aktionskreises „Ziviler Ungehorsam für Asylrecht“ in Bonn, Martin Singe, echauffierte sich gestern gewaltig, weil die Staatsanwaltschaft in Bonn ein Ermittlungsverfahren gegen die Unterzeichner eines Aufrufs zur „Entzäunung“ des Abschiebegefängnisses in Worms vom November 1994 eingeleitet hat. In dem Aufruf zur „Entzäunung“ in Worms, die dann am 10. Dezember 1994 aufgrund massiver Polizeipräsenz scheiterte, waren die potentiellen TeilnehmerInnen von den Initiatoren auscrücklich darauf hingewiesen worden, daß gegen sie von der Staatsanwaltschaft wegen „Landfriedensbruch“ oder „Sachbeschädigung“ ermittelt werden könnte. Zitat aus dem Aufruf: „Wir werden uns in diesem Fall zu verteidigen wissen.“
Nicht gewußt haben die 700 UnterzeichnerInnen des Aufrufs, daß die Initiatoren von Anfang an beabsichtigten, ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft zu provozieren. Denn den „Skandal“ (Singe) – die Eröffnung des Ermittlungsverfahrens – haben offenbar nicht die angeblich verfolgungswütigen Staatsanwälte in Bonn zu verantworten, sondern die Initiatoren selbst. „Wir haben diese Verfahren eingeleitet, weil bei uns eine Selbstanzeige von einem der Initiatoren eingegangen ist“, sagte Oberstaatsanwalt Iwand zur taz. Von Amts wegen, so Iwand, wäre seine Behörde nicht tätig geworden. Singe bestätigte die Erklärung der Staatsanwaltschaft. Klaus Vack, der „Koordinator des Komittees für Grundrechte und Demokratie für humanitäre Hilfe in Ex-Jugoslawien“, habe sich kurz nach der Veröffentlichung des Aufrufs „aus politischen Gründen“ (Singe) selbst angezeigt. Aufgrund der Selbstanzeige von Vack haben inzwischen rund 350 Menschen Vorladungen zu Vernehmungen bei der Polizei erhalten. Klaus-Peter Klingelschmitt
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