Die Mokka-Milch-Eis-Bar lebt

■ Wo all die Sahra Wagenknechte einst mit ihren kurzen Röcken wippten, haben die stalinistischen Schlemmerinnen bald wieder einen Durchlauf-Abkühler

„In der Mokka-Milch-Eis-Bar, da ist es geschehen...“, sang einst die Thomas-Natschinski-Gruppe – und meinte damit das Café in der Karl-Marx-Allee neben dem Kino „International“, das inzwischen mitsamt dem Hotel Berolina der Trigon GmbH gehört. Auch die Mokka-Milch-Eis-Bar wird jetzt neu bewirtschaftet. Daß sie nicht überhaupt einer McDonald's-Filiale weichen mußte, verdankt sie ihrer unveränderten Beliebtheit: Zeitgleich mit der Einweihung der Stalinallee und des Hansaviertels wurden Anfang der fünfziger Jahre in beiden Stadthälften jeweils zwei Milchbars prominent – mit Politikern – eröffnet.

Die neuen Einrichtungen bedeuteten für heiße Kommunisten wie Kalte Krieger: Der moderne nachfaschistische Mensch ernährt sich ebenso gesund wie nahrhaft und hält sich so, ohne Eroberungslust, fit. Die Mokka-Milch-Eis-Bar und das Café Sybille schräg gegenüber, im Schriftzug der gleichnamigen Zeitschrift für die sozialistische Frau, wurden bald nach ihrer Eröffnung auch zu Keimzellen proletarischen Selbstbewußtseins: Hier trafen sich die Bauarbeiter der Stalinallee und erregten sich über die Normenerhöhung. Nach der Niederschlagung ihres Aufstandes wurden die beiden Milchbars erst einmal primär von Sicherheitskräften frequentiert. Dann nahmen langsam die Kinobesucher dort wieder Platz, erwähnt sei zum Beispiel Jürgen Kuttner, aber auch die Stalinallee-Touristen tranken hier immer wieder gerne ein Milchmixgetränk auf die schnelle. So beispielsweise Till Meyer, der sich in den frühen Sechzigern dort mit seiner Ost-Cousine traf. Die beiden Milchbars haben nie ein Stammpublikum gehabt, aber ihr nostalgischer Wert muß erheblich sein, sonst hätten sich nicht so viele für die Neueröffnung insbesondere der Mokka-Milch- Eis-Bar eingesetzt. Das Café Sybille übernahm ein Westler, der es dann zwar von zwei Mitarbeitern betreiben ließ, das Interieur jedoch zuvor mit Billardtisch und Spielautomaten zerstörte. Ähnlich bei der Mokka-Milch-Eis-Bar: Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude gehört einem britischen Investor. Die seit fünfzehn Jahren in Westberlin lebende neue Betreiberin Carmen Krupper (36) will zwar wieder die alten Eisbecher- Renner „Pittiplatsch“ und „Moccaeis Special“ anbieten, daneben auch warme Speisen, beim Interieur hat sie sich jedoch für einen teuren „Stil-Mix“ entschieden, was sie sich 200.000 Mark kosten ließ. Dabei bewirtschaftet sie nur die ehemalige Küche, 170 Quadratmeter von 1.000. Den Großteil des zweistöckigen „Eispalastes“ haben sich Eis-Henning und der Bierkneipen-Kettier Pupasch „urig“ ausgebaut und z.B. mit einer Kirchenorgel ausgestattet, es wird dort regelmäßig sogenannte Live- Musik angeboten werden. All das läßt nichts Gutes ahnen. Ab dem 11. Februar wird man jedoch Genaueres wissen. Jimmy Cooke