: Kohl und Mitterrand gleichen sie nicht
■ Aber die Führer Ungarns und der Slowakei bemühen sich
Budapest (taz) – Eine „Aussöhnung nach deutsch-französischem Vorbild“ hatte der slowakische Ministerpräsident Vladimir Mečiar sich gewünscht, bevor er zu seinem Amtskollegen Gyula Horn in die ungarische Hauptstadt Budapest reiste. Eine optimistische Bilanz zog Meciar nach dem Treffen – dem ersten zwischen ihm und einem ungarischen Ministerpräsidenten, seit die Slowakei unabhängig geworden ist. Der Schlußstrich unter die Vergangenheit sei gezogen, meinte Mečiar.
Doch angesichts der Wunden von sieben Jahrzehnten – Gebietstreitigkeiten, Umsiedlung eines Teiles der ungarischen Minderheit, Bevölkerungsaustausch und Streit um die Umleitung der Donau – erschien der Anfang der Aussöhnung allzu leicht. Wie Mečiar und Horn am Mittwoch abend nach ihrem Treffen sagten, hätten sie sich in den beiden Hauptstreitpunkten grundsätzlich geeinigt und hofften, den seit langem umstrittenen Grundlagenvertrag noch vor Beginn der Europäischen Stabilitätskonferenz am 20. März abzuschließen. Darin soll ein Passus über die Rechte der ungarischen Minderheit in der Slowakei aufgenommen werden, die Einzelheiten soll ein noch auszuhandelndes gesondertes Abkommen regeln, welches gleichzeitig mit dem Grundlagenvertrag unterschrieben werden soll. Ungarn will im Gegenzug eine Erklärung über die Unverletzlichkeit der gegenwärtigen Grenzen. Mečiar und Horn einigten sich außerdem auch auf eine Regelung in der Frage des Wasserkraftwerkes Gabčikovo: Die Slowakei will in Zukunft mehr Wasser in das natürliche Bett der umgeleiteten Donau fließen lassen, Ungarns Parlament soll im Gegenzug den Bau eines neuen Staudamms bei Gabčikovo absegnen.
Vertreter der ungarischen Minderheit in der Slowakei nahmen vor allem die optimistischen Erklärungen Mečiars zur Minderheitenregelung mit Skepsis auf. In dem kürzlich von Mečiar vorgelegten neuen slowakischen Regierungsprogramm spielen die Rechte für die 600.000 in der Südslowakei lebenden Ungarn keine Rolle. Statt dessen wird allgemein auf „entsprechende europäische Normen“ verwiesen und außerdem eine Slowakisierung ungarischsprachiger Schulen, die schrittweise vollzogen werden soll, vorgeschlagen.
Ungarische und slowakische Oppositionspolitiker und politische Beobachter halten es ihrerseits für unwahrscheinlich, daß der Grundlagenvertrag bis März unterschrieben werden kann und sehen die optimistischen Erklärungen von Mečiar und Horn eher als Versuch, der jeweils anderen Seite vorsorglich den Schwarzen Peter zuzuschieben. Beiden Ländern ist sowohl von der Nato als auch von der EU deutlich gemacht worden, daß ein neuer Konflikt griechisch- türkischer Art unerwünscht ist. Keno Verseck
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