Bremer Kolonialrecht am Ende

■ Jäger (FDP), Lenz (AFB) und Schramm (Grüne) wollen Bremer Hoheit über Bremerhavener Überseehäfen abschaffen / Häfensenator: „Populismus“

Zu einer ungewöhnlichen Koalition haben sich Bremens Wirtschaftssenator Claus Jäger (FDP), der Bremerhavener SPD-Abtrünnige und AFB-Gründer Werner Lenz und der Bremerhavener Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen, Manfred Schramm, zusammengetan. Ihr gemeinsames Ziel: Das Stadt-Bremer Hoheitsrecht über alle Überseehäfen in Bremerhaven soll so schnell wie möglich beendet werden. Angelegt haben sie sich dabei vor allem mit Häfensenator Uwe Beckmeyer. Und Bürgermeister Klaus Wedemeier möchte das heikle Thema am liebsten überhaupt nicht ansprechen.

Historisch stammt das Bremer Hoheitsrecht über die Häfen in Bremerhaven aus der Nazizeit. Zwar wurde die ganze Stadt Bremerhaven 1827 von Bremen gegründet, um trotz drohender Weserversandung einen Zugang zum Meer zu behalten. Doch mit den Stadtrechten von 1851 bekam Bremerhaven auch die Hoheit über seine Häfen an der Wesermündung. Erst 1938 wurde des Überseehafengebiet aus Bremerhaven ausgegliedert und der Stadt Bremen zugeschlagen. „Das war nicht etwa eine demokratische Entscheidung, sondern Folge einer Kungelei zwischen zwei Gauleitern“, sagt Bremerhavens Bürgermeister Heinz Brandt.

Die Zuordnung der Bremerhavener Überseehäfen zur Stadtgemeinde Bremen führt immer wieder zu absurden Zuständigkeiten. So dürfen die Bremerhavener Bürgerschaftsabgeordneten nur als „Gäste“ teilnehmen, wenn die Stadtbremische Hafendeputation Beschlüsse über die Bremerhavener Häfen faßt. Rund 6.000 Menschen, die täglich in den Bremerhavener Überseehäfen arbeiten, tun dies steuer- und versicherungsrechtlich in Bremen und ihre Firmen zahlen Gewerbesteuer an das Stadtbremische Finanzamt. Insbesondere bei der Entwicklung des gerade von der US-Army an die Stadt Bremen übergebenen Geländes der ehemaligen Carl-Schurz-Kaserne dämpft das deutlich die Bremerhavener Bereitschaft, dort Investitionen zu fördern. Und wenn die Menschen, die in Bremerhavens Überseehäfen wohnen, zum Standesamt, zur KFZ-Zulassung oder zum Meldeamt gehen wollen, dann müssen sie dafür erstmal 60 Kilometer weit nach Bremen fahren.

Einzige Ausnahme ist der Bremerhavener Fischereihafen. Auch er wurde 1896 als Teil Bremerhavens eröffnet, ging während der Nazi-Zeit aber nicht an die Stadt Bremen. Heute gehört er hoheitsrechtlich noch immer zu Bremerhaven und wird von der Fischereihafen Betriebs- und Entwicklungsgesellschaft geführt, einem Unternehmen, das zu 100 Prozent dem Land Bremen gehört. Nach diesem Vorbild wollen Jäger, Lenz und Schramm alle Häfen im Land Bremen organisieren: hoheitlich zugeordnet zu der Stadt, in der sie geographisch liegen, aber verwaltet von einer gemeinsamen Hafenentwicklungsgesellschaft des Landes.

„Bremerhaven muß deutlich die Rolle des Hafenplatzes der Zukunft übernehmen. Daher ist es höchste Zeit, daß endlich die Reste kolonialen Denkens aus dem Bremer Bewußtsein getilgt werden“, begründet Werner Lenz seinen Vorstoß. Genauso argumentieren Jäger und Schramm. Als „schieren Populismus“ hat dagegen Häfensenator Uwe Beckmeyer die Interessen der ungewöhnlichen Allianz zurückgewiesen. „Hafenpolitik muß eine Politik aus einer Hand sein“, erklärt er, hat aber auf die sachlichen Argumente keine Antwort. Stattdessen warnt er lediglich allgemein vor einer „willkürlichen Vermischung von Begriffen wie Hoheit, Eigentum, Eingemeindung oder Landesstatus“.

Bürgermeister Wedemeier will zu der ganzen Frage gar keinen Kommentar abgeben. Stattdessen verweist er auf den einstimmigen Senatsbeschluß zu einer kleinen Anfrage der CDU. „Die Erarbeitung eines Landeshafengesetzes ist eine Frage der nächsten Legislaturperiode“, heißt es darin. Und Wedemeiers Sprecher Sondergeld fällt noch ein, daß die „einfache Abgabe stadtbremischen Vermögens“ für den Senatspräsidenten wohl „schwierig“ würde, schließlich ist er ja gleichzeitig Bürgermeister der Stadt Bremen.

Hinter dem Widerstand gegen die Abgabe der Hafen-Hoheitsrechte steht in Bremen vor allem die Sorge, als Stadt ohne die Bremerhavener Häfen in die völlige Bedeutungslosigkeit zu fallen, wenn das Bundesland Bremen einmal aufgelöst werden sollte. Von einem „Faustpfand für die Unabhängigkeit Bremens“ spricht zum Beispiel der grüne Umweltsenator Ralf Fücks. „Dieses Argument ist kein Ausdruck eines besonderen Selbstvertrauens“, hält ihm Wirtschaftssenator Jäger entgegen. Und Bremerhavens Bürgermeister Brandt: „Es ist doch einfach unwürdig, wenn wir über jeden Pieps, der die Bremerhavener Häfen betrifft, erstmal einen Vertrag mit der Stadt Bremen schließen müssen.“

„Im Prinzip ist das Kolonialrecht“, bestätigt zwar auch Fücks, gibt aber zu bedenken: „Das aktuelle Politik-Theater in Bremerhaven spricht nicht gerade dafür, den Bremerhavener Zugriff auf diese Lebensader des Bundeslandes zu vergrößern.“ Daß er diese Wartehaltung bis zur Wahl im September durchhalten kann, ist allerdings unwahrscheinlich. Denn im Entwurf zum grünen Wahlprogramm ist bereits zu lesen: „Die Hafenaktivitäten müssen schrittweise in Bremerhaven konzentriert werden. Die Häfen sollen Landeshäfen werden.“ Dirk Asendorpf