Horner klauen in Horn

■ Innensenator legt Kriminalitätsatlas vor: Keine Panik

Das wird den Umweltsenator freuen. Seit Jahr und Tag predigt Ralf Fücks, man müsse Wohnen und Arbeiten näher zusammenbringen, um Verkehre zu vermeiden. Nun gibt es eine Bremer Branche, die dieses grüne Prinzip vorbildlich umsetzt: Die Kriminellen. Gestern stellte Innensenator Friedrich van Nispen den ersten Bremer Krimninalitätsatlas vor, ein umfangreiches Zahlenwerk, in dem die pauschale Kriminalstatistik auf die einzelnen Stadtteile bezogen wird. Ein Ergebnis: Kriminelle sind bodenständig. „Über 50 Prozent der Tatverdächtigen wohnen im Einzugsbereich des Reviers, in dem die Tat stattgefunden hat“, erklärt der zuständige Abteilungsleiter Horst Heyn. „Wenn man die umliegenden Reviere dazunimmt, sind wir bei 80 Prozent.“

Auf mehr als 150 Seiten können sich die BremerInnen zum ersten Mal detailliert über die Kriminalität in der Stadt informieren. 23 ausgewählte Delikte und ihre Verteilung auf 18 Reviere, verbunden mit den Daten über Tatverdächtige – ein Zahlenwerk, das allerdings keine Überraschnungen bietet. „Bei mir ist der Aha-Effekt ausgeblieben“, sagte van Nispen. Aber das war auch nicht der Zweck der Übung. „Wir wollten vor allem die Kriminalitätsdiskussion versachlichen.“ Schließlich sei von Parteien und Verbänden die Kriminalitätsstatistik in der Vergangenheit mißbraucht worden. „Ich denke nur an die unsägliche Kampagne der Gewerkschaft der Polizei, Bremen sei die Kriminalitätshauptstadt.“

Stimmt nämlich nicht, und das kann der Innensenator beweisen. Und schon gar nicht passen die Zahlen zu den überbordenden Ängsten in der Bevölkerung. Taschendiebstahl, der Horror alter Frauen, macht gerade 2,6 Prozent aller Straftaten aus, und ist in absoluten Zahlen zwischen 1992 und 1993 um mehr als 700 Delikte auf 2.386 Taten zurückgegangen.

Der Atlas soll nun nicht nur in die öffentliche Diskussion gehen. Zum einen soll er der Landesregierung Daten an die Hand geben, nach denen die Polizeiplanung flexibler gemacht werden kann, zum anderen soll danach gezielt Sozial-, Jugend- oder Bildungspolitik getrieben werden. Zum Beispiel bei ausländischen Jugendlichen der dritten Generation. In dieser Gruppe liegt der Grad der Tatverdächtigen besonders hoch – bei aller Vorsicht, diesen Daten gegenüber. Schließlich geht es dabei um polizeiliche Ermittlungen, nicht um festgestellte Taten. Trotzdem das Fazit der Innenbehörde: „Das dürfte in Zukunft explosiv werden“.

J.G.