Altkader steigt auf

■ Am Prenzlauer Berg soll ein fachlich inkompetenter ehemaliger SED-Sekretär neuer Jugendamtsdirektor werden

Es brodelt im Bezirksamt Prenzlauer Berg: Mit einem offenen Brief wandten sich jetzt MitarbeiterInnen des Jugendamtes gegen die Einstellung des ehemaligen SED-Kaders Peter Heinicke als neuen Jugendamtsdirektor. Obwohl der Jugendhilfeausschuß sich gegen Heinicke aussprach, stimmte das Bezirksamt Prenzlauer Berg unter Federführung von Jugendstadtrat Tanju Tügel (PDS) in dieser Woche der Einstellung zum 1. Februar zu. Am kommenden Montag wollen alle sieben Amtsleiter der Abteilung Jugend dem Stadtrat ihren Protest vortragen.

Umstritten ist neben Heinickes fachlicher Qualifikation vor allem seine politische Vergangenheit: Vor der Wende war er im Prenzlauer Berg Verwaltungsleiter der Abteilung Volksbildung und somit unter anderem zuständig für Entscheidungen über Ausreiseanträge von MitarbeiterInnen. „Eine abwertende und geringschätzende Grundhaltung gegenüber der Jugendhilfe war bei ihm vorherrschend“, erinnern sich Mitarbeiter in dem offenen Brief. „Dies äußerte sich auch in einer besonders scharfen und strengen Kontrolle der Teilnahme von Kolleginnen mit Kindern an Schulungs- und Parteiveranstaltungen.“

Fachlich halten viele Heinicke insbesondere wegen seiner rein verwaltungstechnischen Erfahrung für ungeeignet. Als „hochgradigen Verwaltungsprofi“ charakterisiert ihn Nilson Kirchner, Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses. Und: „Wenn sich jemand seit 1978 bei der wenig innovativen Abteilung Volksbildung im Prenzlauer Berg wohl gefühlt hat, läßt das Rückschlüsse zu.“

Dabei würde eine dauerhafte Besetzung des Postens dem Amt guttun: Seit 1990 ist Heinicke bereits der dritte Direktor. Seine beiden Vorgänger haben unter anderem wegen Differenzen mit dem Jugendstadtrat Tanju Tügel den Dienst quittiert. Keiner von beiden wunderte sich gegenüber der taz über eine derartige Neubesetzung. Auch Tügels Vorgänger Siegfried Zöls (Bündnis 90/ Die Grünen) hält die Wahl für eine Fehlentscheidung: „Das Amt braucht einen flexiblen und vertrauenswürdigen, nicht vorbelasteten Menschen aus dem Ostteil.“

Viele sind nach Tügels Alleingang jetzt vor allem verärgert über die Mißachtung der Abstimmung im Jugendhilfeausschuß seitens des Bezirksamts. „Daß ein derartiges Ergebnis mißachtet wird, habe ich noch nie gehört“, erklärte gestern auch Christian Pulz, jugendpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Abgeordnetenhaus.

„Es würde sich für den Stadtrat gehören, sich die Sorgen seiner Mitarbeiter dem Bewerber, den sie teilweise auch noch aus vergangenen Zeiten kennen, gegenüber genau anzuhören.“ Tügel erklärte gestern gegenüber der taz, zu Personalfragen keine Auskunft geben zu wollen. Heinicke selbst bestätigte lediglich, am kommenden Mittwoch seinen Dienst anzutreten. „Ich bin eingestellt.“ Jeannette Goddar