Atomwaffensperrvertrag in Nöten

■ Letzte Verhandlungsrunde vor der Konferenz zur Verlängerung des Abkommens blieb ohne Einigung

New York (taz) – Die Zukunft des seit 1970 geltenden Atomwaffensperrvertrags (NPT), der in diesem Jahr ausläuft, ist höchst ungewiß. Die 168 Unterzeichnerstaaten, die auf einer Überprüfungskonferenz im April und Mai dieses Jahres über eine Verlängerung des Abkommens zu entscheiden haben, konnten sich auf ihrer gestern in New York endenden letzten Verhandlungsrunde in keiner der noch strittigen Fragen einigen.

Die vier anerkannten Atomwaffenmächte, die USA, Rußland, Frankreich und Großbritannien, verlangen eine unbegrenzte und bedingungslose Verlängerung des Abkommens über 1995 hinaus. Die fünfte Atomwaffenmacht, China, tendiert zu derselben Haltung, hat sich aber nicht endgültig festgelegt. Doch unter den 168 Unterzeichnerstaaten unterstützen bislang nur 63 Länder die unbefristete und bedingungslose Verlängerung. Die von Mexiko, Indonesien, dem Iran und Indien angeführte Mehrheit der Vertragsstaaten verlangt, daß die fünf Atomwaffenmächte zuvor verbindliche Schritte zur Umsetzung ihrer Vertragsverpflichtung zum vollständigen Abbau ihrer Atomwaffenarsenale unternehmen. Sichtbarstes Zeichen für eine entsprechende Bereitschaft der Atomwaffenmächte wäre die Vereinbarung auf einen umfassenden Atomwaffenteststopp. US-Präsident Clinton hatte 1993 für die USA in einem einseitigem Teststopp-Moratorium die Bereitschaft zu einem Abkommen über die entgültige Einstellung aller Versuche erklärt. Die Chancen dafür, daß sich die fünf Atommächte rechtzeitig bis zur Sperrvertragskonferenz im April wenigstens zu dieser Maßnahme verpflichten, stehen schlecht. Denn bei den Verhandlungen über ein Teststopp-Abkommen, die in der UNO-Abrüstungskonferenz in Genf geführt werden, hat Washington einen Vertragsentwurf eingebracht, der das Recht zum einseitigen Ausstieg aus einem Teststopp-Abkommen nach zehn Jahren vorsieht, wenn sich nach Meinung eines Vertragsstaates „die internationale Sicherheitslage verändert hat“.

Teststopp nicht in Sicht

Rußland hat sich inzwischen dieser amerikanischen Haltung angenährt. China und Frankreich möchten auf jeden Fall noch bis 1996 atomare Waffen testen und vorher kein Teststopp-Abkommen unterzeichnen. Paris will sich zudem vor der Präsidentschaftswahl im Mai nicht festlegen.

Das Vertrauen in die Bereitschaft der Atomwaffenmächte zum vollständigen Abbau ihrer Arsenale wird weiter geschmälert durch eine Untersuchung, die Greenpeace am Donnerstag in New York vorlegte. Danach betreiben die USA und in geringerem Maße auch Frankreich, Großbritannien und Rußland seit 1991 eine systematische Umrüstung ihrer Arsenale: Die vier Staaten entwickeln sogenannte Mininukes für begrenzte Einsätze gegen Länder des Südens.

Westliche Diplomaten schließen nicht aus, daß die fünf Atomwaffenmächte im März noch eine gemeinsame Erklärung abgeben werden, wonach sie auf den Einsatz von und die Drohung mit Atomwaffen gegen die anderen NPT-Unterzeichnerstaaten verzichten. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, daß eine solche gemeinsame Erklärung – die zudem nur politisch, nicht aber völkerrechtlich verbindlich wäre – ausreicht, um die Mehrheit für eine unbegrenzte Verlängerung des Sperrvertrages zu sichern. Als wahrscheinlicher Kompromiß gilt die Verlängerung des Abkommens um mehrere Zeitintervalle von fünf, zehn oder 15 Jahren, an deren Ende jeweils Überprüfungskonferenzen mit der Möglichkeit zur Aufkündigung des Vertrages stattfinden. In New York wurde jetzt jedoch nicht einmal eine Einigung darüber erzielt, nach welchem Verfahren auf der Überprüfungskonferenz über Verlängerungsmodelle abgestimmt werden soll.

Greenpeace und die anderen in New York zahlreich vertretenen Nichtregierungsorganisationen (NOK) fordern eine Erweiterung des Sperrvertrages um einen Produktionsstopp für Plutonium zu vereinbaren. Ohne ein solches Verbot, das zur Stillegung „ziviler“ Atomkraftanlagen führen würde, lasse sich die Weiterverbreitung von Atomwaffen nicht verhindern. Andreas Zumach