Bis daß die Schote kracht

■ Frugale Klangkörper begleiteten das Abercrombie/Andersen/Favre-Trio beim Konzert im Vegesacker KITO

Ein wenig wurde ja bei diesem Konzert gemogelt: In allen Ankündigungen war von der Formation des Jazzgitarristen John Abercrombie die Rede – ganz selbstverständlich wurde überall zuerst sein Name genannt, aber am Freitagabend musizierte eindeutig der Bassist Arild Andersen mit seinem Trio. Von ihm stammten fast alle gespielten Kompositionen, seine Soli standen im Zentrum der Arrangements und sowohl Abercrombie wie auch der Percussionist Pierre Favre bezogen sich in ihren Soloparts oft auf seine musikalischen Vorgaben.

Doch auch wenn die Zuhörer eigentlich etwas anderes erwartet hatten, wurden sie bei diesem Konzert nicht enttäuscht. Denn die drei spielten so aufregend, frisch und harmonisch zusammen, daß man schnell von der Musik mitgerissen wurde. Zudem sind Abercrombie und Andersen verwandte Seelen, mit der gleichen Vorliebe für melodiöse, schwebende Klangbögen, und so erinnerte die Grundstimmung von Andersens Kompositionen oft frappierend an Abercrombies inzwischen klassische Trioplatte „Timeless“. Natürlich gehört diese neoromantische Musik zum typischen Sound des ECM Plattenlabels, dessen ewiges Adagio inzwischen oft in hochkultivierter Langeweile endet. Aber es gibt immer noch solche Ausnahmen wie dieses Trio, bei dem plötzlich gänzlich freie Improvisationen oder aggresiv, rockige Passagen das Publikum aus den sanften Träumen herausreisen.

Arildsen hatte seinen Kontrabaß mit viel Elektronik verkabelt, und so konnte er nicht nur seinen Ton durch Hall, Verzerrer und Modulatoren verändern, sondern er speicherte auch ganze Melodiebögen oder Rhythmuspatterns, um sie dann in Tonschleifen wieder abzuspielen – so spielte er minutenlang mit sich selbst im Duo – auf dem gezupften und dem gestrichenen Baß. Der Schweizer Schlagzeuger und Perkussionist Pierre Favre variierte dagegen seinen Sound mit verblüffend einfachen und organischen Mitteln. Er spielte das Schlagzeug mit zu Ruten gebündelten Zweigen, großen Schoten, in denen die Früchte rasselten und Stricknadeln. Sein pulsierendes, sparsames Spiel bildete einen spannenden Kontrast zu Andersens Virtuosität. Der Norweger hat eine Vorliebe für solche Schlagzeuger, die auf den ersten Blick nicht in sein Konzept zu passen scheinen. Bei einem Auftritt in Bremen übernahm vor ein paar Jahren Alphonze Mouzon diese Rolle des „Jokers“ in Andersens Band.

John Abercrombie spielte vielleicht nicht ganz so viel und abenteuerlich, wie er es als Bandleader getan hätte, aber diese Zurückhaltung kam seiner Musik nur zu gute. Da hörte man keinen Ton zuviel – seine Soli kamen immer genau auf den Punkt und er ließ seine Gitarren so klar singen, daß auch alle, die nur wegen ihm zum Konzert gekommen waren, zufrieden sein konnten. Willy Taub