Der Vater der Klamotte

■ Edgar Wallace im Otto-Focus: „Otto – die Serie“. RTL tut endlich mal was für die älteren Zuschauer (20.15 Uhr)

Sie sind samt und sonders alte Bekannte: die glutäugige Karin Dor, der dämonische Pinkas Braun, der soignierte Stewart Granger, der schalkhafte Eddie Arent, der zwielichtige Kinski, der nervöse Werner Peters und all die anderen, die zwischen 1959 und 1972 durch die anfangs in Dänemark, später in Berlin produzierten Edgar-Wallace-Verfilmungen geisterten. Mit den Erzählungen des britischen Bestsellerautors hatten die Filmfassungen nicht allzuviel gemein; statt dessen entwickelten Regisseure wie Alfred Vohrer und Harald Reinl einen eigenständigen Kanon. Gewisse Elemente der oftmals auf charmant naive Art effekthascherischen Inszenierungen reproduzierten sie immer aufs neu. So entstanden Markenzeichen, die den Filmen seriellen Charakter verliehen, die es den Autoren und Regisseuren freilich auch gestatteten, ironisches Spiel mit den selbstgeschaffenen Stereotypen zu treiben.

Nun verhält es sich so, daß der Produzent der regulären und regelgerechten Wallace-Filme, die alsbald von cleveren Etikettenschwindlern imitiert wurden, Horst Wendlandt hieß und Jahre später den Komiker Otto Waalkes in die Ateliers lotste. Aktuelles Resultat dieser Allianz ist „Otto – die Serie“, denn von Wendlandt stammt das Spielmaterial für Ottos Sketche und Szenen, in denen er mit den Heldinnen und Helden der alten Filme herumalbert und sich beispielsweise von einem reserviert dreinschauenden Joachim Fuchsberger am Klavier begleiten läßt, als Rotzgöre Klaus Kinski benäßt oder sich als Rotkäppchen (siehe Foto) Harald Leipnitz' unkeuschen Blicken aussetzt. Neu ist das Montageverfahren nicht. Marty Feldman wandte es in „Drei Fremdenlegionäre“ an, Carl Reiner (den wir niemals mit seinem Sohn Rob Reiner verwechseln wollen) streckte die Idee in „Tote tragen keine Karos“ auf Spielfilmlänge. Eine eigene Variante hat die US-Sitcom „Dream On“ (RTL 2) zu bieten: Darin verwendet John Landis schwarzweiße Ausschnitte aus alten TV-Melodramen nicht als Erzähleinheit, sondern als integralen Kommentar zur Handlung. Otto Waalkes und seine Mitautoren Bernd Eilert, Robert Gernhardt und Pit Knorr, selbdritt als Koeigner der Luxusyacht „Titanic“ die Toscana-Fraktion deutschen Humorschaffens, haben dem wenig Neues hinzuzufügen. Der 46jährige Hauptakteur gibt sich wie eh und je als juveniler Irrwisch; er kalauert, fuchtelt und hampelt und reproduziert sein Standardrepertoire an Bühnenfiguren: den spasmischen Moderator, das altkluge Kind, den blödelnden Englischlehrer, den frömmelnden Priester. 1973, als man wenig zu lachen hatte vorm Bildschirm und der WDR Ottos erste Personality-Show ausstrahlte, war das durchaus originell und leidlich witzig. Inzwischen jedoch sind junge Entertainer nachgewachsen. Heute ist Helge Schneider ähnlich omnipräsent und rundum erfolgreich wie Otto zu seinen besten Zeiten; die Rasselbande von „RTL Samstag Nacht“ wird, wie in den Achtzigern der Grimme-Preisträger Waalkes, mit Auszeichnungen überschüttet und leistet sich Respektlosigkeiten, die vor einigen Jahren noch veritable Medienskandale hervorgerufen hätten. In diesem Kontext wirken die Auftritte des Nonsens-Nestors in „Otto – Die Serie“ einigermaßen altmodisch – wie die Comedy-Version erinnerungsseliger Oldieparaden und Schlagerrückblicke. Und da sage noch mal einer, RTL vernachlässige die älteren Zuschauer... Harald Keller