Ungarns sozialistischer Sparkommissar tritt zurück

■ Nach Konflikten mit der eigenen Partei resigniert Finanzminister László Békesi

Budapest (taz) – Anzeichen gab es seit langem, am Sonnabend nun machte der ungarische Finanzminister László Békesi Ernst: Auf einer Versammlung der „Ungarischen Sozialistischen Partei“ (MSZP) kündigte der Reformpolitiker seinen Rücktritt an. Der Finanzminister zog damit die Konsequenz einer gut sechsmonatigen Amtszeit, in der er so gut wie keine seiner Vorstellungen von einer strengen Sparpolitik durchsetzen konnte.

Ausgelöst hatte den Schritt ein Konflikt um die Privatisierung. Nachdem Mitte Dezember der Verkauf der Hungar-Hotels an eine US-Firma bereits vertraglich abgeschlossen war, hatte Regierungschef Gyula Horn eine Untersuchung des Geschäftes angeordnet. Zwar konnte ein Ausschuß keine Unregelmäßigkeiten feststellen, und auch Békesi, verantwortlich für die Privatisierung, verteidigte die Entscheidung. Doch auf Druck einheimischer Lobbys ließ Horn den Hotelverkauf Anfang Januar annulieren. Als Ungarns Regierungschef vorschlug, Békesi die Kontrolle über den Privatisierungsprozeß zu entziehen, trat Békesi zurück.

Schon unmittelbar nach Antritt der Koalition aus Sozialisten und liberalen Freidemokraten war es zu heftigen Debatten um Békesis Sparpolitik gekommen. Während der Finanzminister wiederholt darauf hinwies, daß Ungarn seit Jahren regelmäßig zehn Prozent mehr verbrauche, als es produziere, und vor der Zahlungsunfähigkeit des Landes warnte, fand sich bei den Sozialisten keine Mehrheit für eine strenge Sparpolitik. Békesi mußte in den letzten sechs Monaten Kompromisse beim Staatshaushalt, bei Lohnforderungen der Gewerkschaften und Preiserhöhungen machen und zusehen, wie die Regierung protektionistische Maßnahmen einführte, statt, wie von ihm verlangt, eine außenwirtschaftliche Öffnung vorzunehmen.

Das drastische Finanzungleichgewicht wird also auch weiterhin bestehen bleiben, wie Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren. Das dreiprozentige Wachstum im letzten Jahr ist mit einem Haushaltsdefizit von neun Prozent des Bruttosozialproduktes erkauft. Das Zahlungsbilanzdefizit beträgt vier Milliarden Dollar, die Außenhandelsbilanz weist ein Minus von 2,5 Milliarden Dollar auf.

Nach Békesis Rücktritt könnte nun auch die Koalition mit den Freidemokraten, die Sparprogramme verlangen, abbröckeln. Innenminister Gábor Kuncze sorgte sich gestern, Békesis Rücktritt sei ein negatives Zeichen für die ausländische Finanzwelt. Keno Verseck