Die Farbe des Geldes

■ Ehepaar lief in polizeilich gelegte Diebesfalle – mildes Urteil

Emmi P. und Gatte Dieter sind kleine Leute. Vor dem Gericht wurden die beiden 59jährigen, deren Geburtstage nur einen Tag auseinanderliegen, gestern noch kleiner. Sie rückten zusammen und zogen den Kopf ein, als der Staatsanwalt die Anklage verlas:

Emmi und Dieter P., kam es drohend herab, werden verdächtigt, in den frühen Morgenstundes des 18.3.94 aus der Schreibtischschublade einer Zeitarbeitsfirma, bei der Emmi einen Putzjob hatte, 270 Mark entwendet zu haben. Gemeinschaftlicher Diebstahl, oh weh!

Aufgefallen waren die beiden, weil die Kripo, nachdem schon dreimal Geldbeträge aus der Firma entwendet worden waren, die Geldscheine präpariert hatte. Als auch diese verschwunden waren, untersuchte die Polizei die Hände sämtlicher FirmenmitarbeiterInnen. Umsonst, es konnten nur Emmi und Ehemann gewesen sein, der seiner Frau stets beim Putzen zur Seite stand. Die Polizei schnappte die beiden, als sie einträchtig von einem Rieseneinkauf aus dem Comet nach Hause kamen. Von dem Geld war nichts mehr übrig.

„Ich bereue, was da passiert ist“, platzte es vor Gericht aus Emmi heraus, ohne daß danach gefragt worden war. „Ich mache sowas nie wieder.“ „Aber du hast doch das Geld gar nicht genommen, das hab ich doch getan“, stellte Gatte Dieter klar und nahm alle Schuld auf sich. Er habe das Geld aus der Lade genommen. Ja, wie denn, will der Richter wissen, die Lade sei doch verschlossen gewesen? „Ich habe nur geruckelt und ganz bestimmt keinen Schlüssel gehabt“, versichert der ehemalige Krankenpfleger mit dem Rückenleiden, das sich unter den bohrenden Fragen des Richters sichtlich verschlimmert. Dieter zerbröselt kleinlaut. Ja, räumt er jetzt ein, „ich hatte da so eine kleine Schere in der Hand.“ Nicht lange, da war die Nagel- zu einer gestandenen Haushaltsschere ausgewachsen, die mit einem Lappen umwickelt war.

Das Wie war damit gelöst, doch das Wer blieb im Dunkeln. Hatte Emmi wirklich nicht mitgemacht? Widersprüche führten bei ihr schließlich zum größtmöglichen Kompromiß: „Irgendwie im Unterbewußtsein“ hatte sie mitgekriegt, daß ihr Mann sich an der Schublade zu schaffen gemacht hatte. Vom Geld aber will sie erst zu Hause erfahren haben.

„Ich war froh, daß er das gemacht hat“, nahm die gute Frau jedoch sogleich ihren Dieter in Schutz. Schließlich habe er nur dafür gesorgt, daß wieder was in den Kühlschrank kam, „es war doch alles leer“. Das wiederum lag an der Drogensucht von Tochter und Enkel. „Am ersten gabs bei denen Sozialhilfe und am dritten war kein Geld mehr da.“ Tochter Heidi hat dann wohl immer mal in den Wäschetrockner gegriffen, wo Mutter Emmi ihre Geldfalle aufgebaut hatte: Eine Kassette mit einem Tuch umwickelt. Anhand des Faltenwurfes fand Emmi heraus, daß die Tochter am Gesparten genippt hatte. Zum Gespräch aber fehlten Emmi und Dieter der Mut, das Geld wurde immer knapper, der Kühlschrank leerer. Ach ja, so kam es halt dazu.

Der Richter ließ Milde walten. Immerhin hatte die Beschäftigungsfirma auf Schadensersatz plädiert und Emmis Restlohn einbehalten. „Das waren mindestens noch 400 Mark, die ich zu kriegen hatte!“ Was also, mag sich das Gericht gefragt haben, soll noch eine Geldstrafe? „Ich will wohl gemeinnützige Arbeit leisten“, kam Dieter den hohen Herren entgegen. „Du mit deiner Bandscheibe?“ fragte Emmi entgeistert, die eher auf Freispruch pokerte. Zu spät. Das Gericht verurteilte Emmi wegen Hehlerei zu 20 Tagessätzen a 20 Mark und Dieter wegen Diebstahls zu 40 Tagessätzen a 40 Mark. Beide Geldstrafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Allerdings muß Dieter 20 Tage a 6 Stunden gemeinnützig arbeiten.

„Das mach ich gern“, erklärte er, überließ aber das letzte Wort natürlich Emmi: „Vielen Dank“, nickte sie gütig dem Richter zu und versprach: „Es kommt auch nicht mehr vor, und wir gehen auch nie wieder putzen.“

Dora Hartmann