Menschenrechte statt Einheitsrecht

■ Bremens unklare Linie zwischen Menschenrechten und Abschiebung / Ampel im Clinch usländersenatorin uneinig

Es droht neuer Streit zwischen den Koalitionären: Die bremische Linie zum Gesetzentwurf über die Neuregelung des Abschiebeverfahrens muß festgeklopft werden. Aber zwischen den Positionen von Innensenator Friedrich van Nispen und der Kultur- und Ausländersenatorin Helga Trüpel klaffen Welten.

Da beharrt der liberale Innensenator in punkto Abschiebestopp auf der Rechtseinheitlichkeit der Länderentscheidungen. Die besagt, daß entweder der Innenminister oder die Länder in Übereinstimmung eine Duldung über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus beschliessen können – wie wackelig dieser Schutz für bedrohte Flüchtlinge ist, zeigt sich aktuell an der bayerischen Ankündigung, den auslaufenden Abschiebestopp für kurdische Flüchtlinge im Februar nicht zu verlängern. Doch van Nispen will von seiner Position nicht abweichen: Es dürfe nicht geschehen, daß Asylsuchende einer bestimmten Nationalität in Niedersachsen beispielsweise geduldet, in Bremen aber abgeschoben würden. Die Konsequenzen einer solchen Praxis müßten verhindert werden – vor allem im Interesse Bremens. Denn neben der Zuwanderung von Schutzsuchenden würde dann vor allem auf Stadtstaaten ein großer politischer Druck liegen. Außerdem, wer erstmal fünf Jahre im Land ist, der sei schon gar nicht mehr abzuschieben.

Entgegengesetzt die Haltung der grünen Ausländersenatorin: Bremen müsse sich statt für juristische Positionen für Menschenrechte ins Zeug legen, fordert sie. Die Bundesregierung verstoße gegen internationale Konventionen, wenn bedrohte Bevölkerungsgruppen nicht über sechs Monate hinaus per Duldung geschützt werden könnten. Aus ihrem Haus wird deshalb die Zustimmung für den Gesetzentwurf signalisiert, den Schleswig-Holstein im Januar in den Bundesrat einbrachte. Der zielt auf eine neue Regelung ab, nach der in Zukunft eine Duldung über sechs Monate hinaus nur durch eine „qualifizierte“ zwei-Drittel-Mehrheit der Länder entschieden werden soll. Soweit die Positionen der Ressorts, die für die heutige Senatskonferenz schon formuliert waren. Doch der Punkt „Abschiebung“ flog bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr von der Tagesordnung. Das Eisen ist heiß. Denn wenn es zur Abstimmung im Bundesrat kommt, werden auch Bremens Stimmen nötig sein, denn eine Mehrheit der SPD-regierten Länder ist nicht zuverlässig gesichert. Von insgesamt 68 Stimmen im Bundesrat sind 35 Stimmen nötig, um eine rechtsrelevante Entscheidung zu bewirken, die den Gesetzentwurf in den Bundestag bringen soll. Aber nicht nur in Bremen regieren Koalitionen und nicht nur in Bremen liegt die Linie noch nicht fest. Wenn beispielsweise nur die Bundesländer Bremen (3 Stimmen) und Rheinland-Pfalz (4 Stimmen) sich aus koalitionsgründen der Stimmen enthalten, würde die Initiative schon sterben, sagt Paul Chevalier, Mitarbeiter der Bremer Landesvertretung in Bonn.

Ab heute wird die Senatsvorlage in die dritte Runde gehen – ohne offiziell je auf den Tisch gekommen zu sein. Das Ziehen zwischen Inneres und Ausländer findet hinter den Kulissen statt – dann auch unter Beteiligung der SPD.

Eva Rhode