Die Bundeswehr tritt den Rückzug an

■ Nach Kritik vereidigt Bundeswehr ihre Rekruten nicht am Brandenburger Tor / Persönliche Schlappe für Diepgen

Der Testballon ist geplatzt. Kaum hatte die Bundeswehr ihre Pläne für die erste öffentliche Rekrutenvereidigung in Berlin publik gemacht, hieß es auch schon: „Kehrt Marsch!“ Pech für Eberhard Diepgen: Noch vorgestern hatte der Regierende im CDU- Funk Hundert,6 dem öffentlichen Initiationsritus für Jungsoldaten am 23. Mai seinen persönlichen Segen erteilt. Doch die angekündigten Proteste der „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“ klangen in den Ohren der Militärs wohl bedrohlicher als Diepgens Gerede von der „Normalisierung“.

Gestern nun bestätigte der Presseoffizier der Streitkräfte, Wolfgang Döbrich, daß es keine Rekrutenvereidigung außerhalb der Kasernen geben wird. Gefeiert werden soll jetzt in der Julius-Leber- Kaserne in Wedding.

Nachdem die Bundeswehr vor zwei Wochen erstmals ein öffentliches Gelöbnis am Brandenburger Tor oder am Gendarmenmarkt ins Spiel gebracht hatte, hagelte es Proteste. Der bündnisgrüne Abgeordnete Wolfgang Wieland sprach sich strikt dagegen aus, den „öffentlichen Raum zu militarisieren“, und die „Kampagne gegen Wehrpflicht“ versprach, „jeden Versuch, in Berlin eine Vereidigung ohne den Schutz der Kasernen durchzuführen“, mit Gegenaktionen zu beantworten. An einem „eindeutigen Signal der Politik“, beklagte gestern denn auch Bundeswehrsprecher Döbrich, habe es gefehlt. Nur unter dieser Bedingung freilich wäre man mit der Vereidigung auf öffentliche Plätze gegangen. Döbrich widersprach außerdem dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen, der noch vor kurzem erklärt hatte, er habe keine Sicherheitsbedenken. „In der Kaserne“, sagte Döbrich der taz, „haben wir wenigstens selbst das Hausrecht.“ Der Berliner Senat sah gestern keinen Anlaß, sich den Schwarzen Peter von den Militärs zuschieben zu lassen. „Das ist Sache der Bundeswehr“, hieß es aus der Senatskanzlei.

Die „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“ und die Bündnisgrünen warnten unterdessen davor, sich zu früh zu freuen. „Die werden so lange bohren, bis sie wieder mit Fackeln durchs Brandenburger Tor laufen dürfen“, meinte der Abgeordnete Wieland. Uwe Rada