Datentrampelpfade Von Mathias Bröckers

Zu den Unworten des letzten Jahres zählt fraglos der Begriff „Datenautobahn“. Wirkt schon das amerikanische Original, „Information Highway“, einigermaßen befremdlich, so driftet die Übersetzung vollständig ins Beknackte: Daten haben weder Führerschein noch Autos.

Seit fast zehn Jahren ist mein Computer jetzt mit einem Modem ausgestattet, das mein kleines Arbeitszimmer mit dem großen taz- Rechner verbindet. Wenn diese Kolumne fertig geschrieben ist, rufe ich das Übertragungsprogramm auf, klicke „Senden“ an, und ab geht die Post: Das Modem wählt eine Telefonnummer und sendet den Text in etwa 30 Sekunden in die Redaktion. Auf die Idee, diese Übertragungsmöglichkeit „Datenfeldweg“ zu nennen, bin ich allerdings noch nie gekommen. Da die Telefondose am anderen Ende der Wohnung liegt, mußte mein Zimmer erst einmal angeschlossen werden. Dieser „Autobahnzubringer“ (vulgo: Klingeldraht) führt in abenteuerlicher Strecke unter Teppichen hindurch und über Türschwellen hinweg und landet an einer wackligen Dose unter meinem Schreibtisch. Wenn ich dort mit den Hufen scharre oder mit den Beinen strample, kommt es bisweilen vor, daß der „Highway“ zusammenbricht, denn statt vorschriftsmäßig mit Klemmen und Schrauben verbunden zu sein, ist er nur zusammengezwirbelt und mit Tesafilm stabilisiert. Auf ähnliche Art wurde die „Connection“ an einigen neuralgischen Punkten, Ecken und Türschwellen, wiederhergestellt, wo der Draht geknickt oder gerissen war. Genau betrachtet hat diese windige Konstruktion mit einem soliden, flurbereinigten „Feldweg“ wenig zu tun, bestenfalls ist es ein Datentrampelpfad – doch er verbindet Telefon, Fax und Modem seit Jahren absolut perfekt mit der Außenwelt. Ein Datenfrühstück im „World Wide Web“ gefällig, ein Newscocktail von AP, dpa und AFP? Mein Klingeldraht macht's möglich, sofern der User darauf verzichtet, vor Freude mit den Hufen zu scharren.

Wenn es aber um große Datenmengen, zum Beispiel um Grafiken oder Animationen, geht, wendet die Daten-Highway-Patrol ein, dann ist dein Klingeldraht schnell überfordert, dann brauchst du sechs Spuren statt zwei (vulgo: ISDN)...

Doch schon ist Rettung in Sicht, vorgestellt wurde sie unlängst in den Forschungslabors der „British Telecom“ in Martelsham: ein Computerprogramm namens „Robo-Sub“. Der text summariser ist nach Angaben seiner Efinder in der Lage, Artikel automatisch zu kürzen und auf die entscheidenden Worte und Sätze zu reduzieren. Um zu demonstrieren, wie das funktioniert, wurde die Rede des Forschers, der das neue Programm vorstellte, auf einem Bildschirm gezeigt, dann machte sich Robo- Sub an die Arbeit: Er kürzte den Wortschwall auf fünfzig Prozent der Originallänge, dann auf zwanzig und schließlich auf fünf Prozent. „Machen Sie sich vertraut mit Robo-Sub“, hieß es in der Presse-Einladung, „denn jeder Magazin-Redakteur wird es bald benutzen.“

Was bleibt von dieser Kolumne, wenn demnächst der ganze taz- Eintopf automatisch auf einen Maggiwürfel geschrumpft wird? Na ja, mein Datentrampelpfad jedenfalls wird mindestens noch ein weiteres Jahrzehnt vollkommen ausreichen.