Mythos Nikotin
: Über die leidige Sauferei des Nebels

■ Rüsdorff / Twain / Goethe / Wilde / Coupland / Braudel / Böll / Robbins / Palma / Lichtenberg / Baumann

Mythos Nikotin

Über die leidige Sauferei des Nebels

Ich kann nicht umhin, mit einigen Worten jene neue erstaunliche und vor wenigen Jahren aus Amerika eingeführte Mode zu tadeln, welche man eine Sauferei des Nebels nennen kann, die alle alte und neue Trinkleidenschaft übertrifft. Wüste Menschen pflegen nämlich den Rauch von einer Pflanze, die sie Nicotiana oder Tabak nennen, mit unglaublicher Begierde und unauslöschlichem Eifer zu trinken und einzuschlürfen. Johannes Joachim von Rüsdorff

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Zuerst schuf der liebe Gott den Mann. Dann schuf er die Frau. Dann tat ihm der Mann leid, und er gab ihm Tabak. Mark Twain

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Zum Rauchen gehört auch das Biertrinken, damit der erhitzte Gaumen wieder abgekühlt werde. Das Bier macht das Blut dick und verstärkt zugleich die Berauschung durch den narkotischen Tabaksdampf. So werden die Nerven abgestumpft und das Blut bis zur Verstockung verdickt. Wenn es so fortgehen sollte, wie es den Anschein hat, so wird man nach zwei oder drei Menschenaltern schon sehen, was diese Bierbäuche und Schmauchlümmel aus Deutschland gemacht haben. An der Geistlosigkeit, Verkrüppeltheit und Armseligkeit unserer Literatur wird man es zuerst bemerken. Johann Wolfgang Goethe

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Die Zigarette ist der vollendetste Ausdruck eines vollkommenen Genusses. Sie ist köstlich und läßt unbefriedigt. Was kann man mehr verlangen? Oscar Wilde

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Anna-Louise setzt sich steif auf. Sie drückt den nie zuvor benutzten Zigarettenanzünder ins Armaturenbrett, greift in ihren weißen Plastikbeutel, zieht eine Zigarette hervor und zündet sie zu meiner großen Verwunderung an. „Anna-Louise, was machst du da? Rauchen ist was für arme Leute.“ „Was?“ „Es ist wahr. Reiche Leute siehst du niemals rauchen. Wahrhaft reiche Leute. Niemals. Genau wie reiche Leute nie fluoreszierendes Licht zu Hause haben. Nur Glühbirnen.“ Douglas Coupland

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Uns scheint, daß mit dem Anwachsen oder zumindest dem Fortbestehen ernsthafter Ernährungsprobleme die Menschheit einen Bedarf an Kompensation hat. Tabak ist ein Mittel zur Kompensation. Fernand Braudel

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Von hinten stieß mich einer an und fragte: „100 Gramm Brot gegen eine Zigarette, wie wär's?“ Und er hielt mir die Hand von hinten vors Gesicht, und ich sah, daß es eins der Brotstücke war, die Egelhecht im Waggon verteilt hatte. Ich schüttelte den Kopf. Ein anderer sagte: „Die Belgier verkaufen Zigaretten das Stück zu zehn Mark.“ Das kam mir sehr billig vor, im Lager hatten die Deutschen Zigaretten das Stück für 120 Mark gehandelt. „Willst du eine Zigarette?“ „Ja“, sagte ich und gab meinen Zwanzigmarkschein in eine anonyme Hand. Heinrich Böll

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Sissy Hankshaw sah sich gern die Tabakfestival-Paraden an. Auf ihrem Platz am Rinnstein der Broad Street, den sie sich immer zeitig sicherte, und nachdem sie Mut gefaßt hatte, versuchte sie sich im Anhalten der offenen Cabriolets, in denen die Tabakprinzessinnen vorbeirollten. Die Fahrer, allesamt aufrechte Jay- Cees, würdigten sie keines Blickes und stierten unbeirrt geradeaus, im Interesse der Sicherheit – die Tabakgötter würden Blitze spucken, falls einer versehentlich den Marlboro-Paradewagen davor rammte –, aber die winkenden Prinzessinnen, die mit funkelnden Augen und strahlenden Zähnen in der gaffenden Menge nach Verwandten und Bekannten, nach Jungs, Fotografen und Talentsuchern heischten, sie entdeckten schon mal eine der bittend emporgehaltenen Gurken und büßten – o teuflische Gefährdung des Nikotins! – für einen verwirrenden Moment ihre sorgfältig einstudierte Haltung ein. Tom Robbins

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Einer, der studiert, muß notwendig viel Tabak rauchen, damit die Geister nicht verlorengehen oder, da sie anfangen, zu langsam umzulaufen, weshalb der Verstand sonderlich schwere Sachen wohl nicht faßt, wieder mögen erweckt werden, worauf alles klar und deutlich dem Geiste überliefert wird und er wohl überlegen und beurteilen kann. Beintema van Palma,

niederländischer Arzt im 18. Jahrhundert

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Wer nicht raucht und auch nicht trinkt, der ist schon auf andere Art dem Teufel verfallen. aus Spanien

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Ich habe sehr häufig gefunden, daß gemeine Leute, die nicht rauchen, an Orten, wo das Rauchen gewöhnlich ist, immer sehr gute und tätige Menschen waren. Georg Christoph Lichtenberg

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Du stehst frühmorgens auf, alle stehen auf, Vater, Mutter und so. Dann rennst du runter zur Bushaltestelle, bist natürlich noch völlig benommen. Dann sitzt du in so 'nem Bus, meistens hast du noch nicht mal gefrühstückt und kein Geld für Zigaretten gehabt. Alles raucht. Da bist du schon mal sauer. Bommi Baumann