Kampagne gegen das Verbrechen Tabakverkauf

■ Schwedens „Rauchfreie Generation“ will Jugendliche vom Nikotin fernhalten

Zwei Werbekampagnen erregen in Schweden alljährlich besonderes Aufsehen: die weihnachtlichen Dessous-Halbnackten von Hennes und Mauritz und die Anti- Rauch-Kampagne der „Rauchfreien Generation“ zwei Monate später. Vor einer Woche war es wieder soweit: Auch in diesem Jahr konnte sich die federführende Anti-Rauch-Organisation über mangelndes Medienecho nicht beklagen. Waren es im letzten Jahr Großplakate mit dem Blick über einen idyllischen Friedhof unter dem Titel „Willkommen im Marlboro-Land“, ist in diesem Jahr die skandinavische Zigarettenmarke „Prince“ an der Reihe: „Verführt, vergewaltigt, mißhandelt, gemordet von Prince“. Und dazu zwei Bilder: auf der einen Seite der Kopf eines jungen Mädchens – Prince, der Prinz, so die Botschaft, er hat sie geküßt: wird sie sich in ihn verlieben? –, auf der anderen Seite die Röntgenaufnahme einer verkrebsten Lunge.

„Prince“, krimineller Taten bezichtigt, und das noch unter Verwendung des eigenen Schriftzugs, fühlte sich getroffen: „Vulgär, geschmacklos, wir prüfen rechtliche Schritte“, verkündete Bo Aulin, Chefjurist der Tabakfirma. „Prince“ ist vor allem bei jungen Mädchen die Favoritmarke und von der „Rauchfreien Generation“ deshalb bewußt für die die Kampagne ausgewählt worden.

Obwohl insgesamt immer weniger SchwedInnen rauchen, greifen immer mehr junge Mädchen zur Zigarette: Rauchten vor zwei Jahren nur 25 Prozent der 15jährigen Schülerinnen, sind es heute 29 Prozent. „Und bei denen sind die Gesundheitsgefahren besonders groß“, so Greta Weding, Generalsekretärin der „rauchfreien Generation“, die zugleich konstatiert: „Jemand, der zum Rauchen verführt, begeht Körperverletzung und verdient noch Geld damit.“ Mit der Verbindung der Bilder mit juristischen Begriffen wollen sie darauf aufmerksam machen.

Die „Rauchfreie Generation“ hat sich in den letzten Jahren von einer betulichen Stiftung, die Informationsblätter an den Schulen verteilte, zu der führenden schwedischen Anti-Rauch-Organisation entwickelt. Finanziert wird sie zum größten Teil von Spenden aus der Wirtschaft – 3.000 Firmen sponsern die unabhängige Organisation –, den Rest des jährlichen Zehn- Millionen-Kronen-Budgets tragen Kommunen und andere öffentliche Kassen bei. Die jährliche Plakat- und Anzeigenkampagne würde mehrere Millionen Kronen kosten, würden nicht die Verlage bereitwillig Sonderrabatte gewähren und die Werbebüros umsonst arbeiten. Da in Schweden seit einem Jahr totales Werbeverbot für Tabakwaren herrscht, müssen Zeitungen und Zeitschriften auch nicht Verlust oder Druck dieser Anzeigenkunden fürchten. Während die „Rauchfreie Generation“ reichlich Erfahrungen mit anderen Druckmitteln machen mußte. Die Werbeagentur der Anti-Marlboro-Kampagne des letzten Jahres kündigte: Sie arbeitet auch mit einem US-Werberiesen zusammen, dem der Philip-Morris-Konzern mitteilte, man werde alle Aufträge zurückziehen, falls das schwedische „Paradiset“-Büro nicht aussteige. Auch das Anwaltsbüro, das letztes Jahr die „Rauchfreie Generation“ nach Drohbriefen von Philip Morris einschaltete, gab später das Mandat zurück: Die finanziellen Interessen aus der Tabakbranche wogen schwerer.

Was bewirkt die Anti-Rauch- Kampagne also tatsächlich? Greta Weding will sich weder die steigende Zahl rauchender Frauen als Mißerfolg noch den auffallenden Einbruch des Tabakkonsums in Schweden insgesamt als Erfolg an die Fahne heften: „Wir wollen informieren und zum Nachdenken und Diskutieren anregen.“ Im letzten Jahr veranlaßten die Gräber in Marlboro-Country den schwedischen Reichstag immerhin, eine schon länger vorliegende Gesetzesvorlage für ein totales Tabakreklameverbot im Schnellgang zu verabschieden.

In diesem Jahr hofft die „Rauchfreie Generation“ auf einen weiteren Schritt: ein Verkaufsverbot an Minderjährige ähnlich wie beim Alkohol. Und, die Plakatkampagne war keine Woche alt, zeigte diese Forderung Wirkung in der Tabakbranche: „Prince“ ließen ihren Juristen Bo Aulin in einer Fernsehdiskussion appellieren: „Es ist nicht schick zu rauchen. Es ist viel mutiger nicht zu rauchen. Ich fordere alle Jugendlichen auf, nicht zu rauchen.“ Reinhard Wolff, Stockholm