Via Rumänien nach Europa

Der südkoreanische Autobauer Daewoo drängt auf den europäischen Markt / Eine rumänische Fabrik soll neue Wagen für den Westen bauen  ■ Aus Craiova Keno Verseck

Die Hurra-Losung aus kommunistischer Zeit ist schlecht übermalt und deshalb noch deutlich zu lesen. „Es lebe Rumänien und die Zusammenarbeit zwischen allen Völkern!“ steht in riesigen Buchstaben auf dem Fabrikgebäude im rumänischen Craiova. Fünf Jahre nach dem Sturz des autarkiebesessenen Diktators Ceaușescu hat diese Losung einen Sinn erhalten – wenn auch einen ganz unkommunistischen: In Craiova hat der südkoreanische Auto- und Industriegigant mit dem rumänischen Autohersteller Oltcit das Unternehmen „Rodae“ gegründet.

Auf dem Weg zum Rodae-Autowerk liegen die Fabriken der Industriestadt Craiova. Die meisten sehen nicht nur aus wie stillgelegt – sie sind es auch, jedenfalls solange sich kein zahlungskräftiger Investor meldet. Im Lokomotivenwerk „Electroputere“ zum Beispiel, einst Stolz von Ceaușescus autarker Industrie, wurden die meisten Beschäftigten in die „technische Arbeitslosigkeit“ geschickt – Kurzarbeit null, wie in vielen anderen Betrieben Craiovas auch. Bei Rodae dagegen sind die Arbeiter, gerade aus dem einwöchigen Zwangsurlaub zurückgekehrt, „optimistisch“, wie der stellvertretende Gewerkschaftschef Dumitru BÛrlogeanu dem Besucher erzählt. Denn es gibt wieder Arbeit: Ab 1996 wird hier der „Cielo“, eine Kopie des Opel Vectra, vom Band laufen. Die 4.000-Mann-Fabrik soll dafür nochmal 3.000 ArbeiterInnen einstellen.

Auch der rumänische Staat hat Anlaß zur Freude. Der koreanische Autoproduzent ist ein Unternehmen der Superlative: Für über 150 Millionen Dollar übernahm Daewoo 51 Prozent der Rodae- Aktien und wurde damit zum größten ausländischen Investor in Rumänien. Südkorea hält damit vor den USA und Deutschland auch Platz eins der Länder-Investitionsliste. Rumänien seinerseits übersprang die psychologische Marke von einer Milliarde Dollar ausländischen Investitionen seit Ende 1989. Bis Oktober letzten Jahres waren nur rund 970 Millionen Dollar ins Land geflossen – ein Bruchteil dessen, was ausländische Firmen bisher in Ungarn oder Tschechien investiert haben.

Der Gewerkschaftschef Marian Miclici ist froh, daß die Fusion mit Daewoo zustande gekommen ist: „Daewoo war der letzte Zug, den wir noch bekommen konnten, und wir sind aufgesprungen.“ Denn wie die anderen rumänischen Automobilproduzenten verlor auch der marode Autobauer Oltcit in den letzten zehn Jahren seine Absatzmärkte. Ursprünglich als Joint- venture mit Citroän gegründet, nahmen die Franzosen in den achtziger Jahren über die Hälfte der Produktion ab. Bis Ceaușescu 1987 die Produktion eines rumänischen Getriebes anordnete. Die Folge der „Alles aus eigener Kraft“-Politik: Das Getriebe war so schlecht, daß Citroän seit 1988 nichts mehr haben wollte. Nach 1989 sank auch die Inlandsnachfrage, weil der rumänische Automarkt mit billigen westlichen Gebrauchtwagen überschwemmt wurde. Das Werk war zuletzt nur noch zu zwölf Prozent ausgelastet.

Die letzten Wagen der alten Serie werden in Craiova irgendwann im nächsten Jahr vom Band laufen. Derzeit treffen in Craiova die ersten Anlagen für die Daewoo-Produktion ein. Zweitausend Arbeiter sollen in den nächsten Monaten nach Südkorea zur Schulung geschickt werden. Schwierigkeiten mit rumänischen Behörden gibt es trotzdem noch. So zum Beispiel zögert die Bürokratie beantragte Steuervergünstigungen hinaus – die „alte Mentalität in Ministerien und Behörden“, wie der Abgeordnete Barbu Piţigoi sagt. „Denen paßt es nicht, daß sie nicht mehr Chef spielen und die Wirtschaft kontrollieren können.“

Bei den Koreanern dagegen möchte weder der Rodae-Chef Tae Chang Yu noch sonst jemand Auskunft geben. Der Rodae-Sprecher sei noch nicht eingesetzt worden, heißt es. Marian Miclici sagt, die Koreaner hätten darum gebeten, den Medien möglichst wenig zu erzählen und die staatlichen Behörden weniger zu kritisieren. „Die tun sehr geheimnisvoll. Uns ist gesagt worden, das sei so deren Mentalität“, rätselt er.

Fest steht jedoch: Der südkoreanische Konzern steigt nicht nur in Rumäniens Industrie ganz groß ein, sondern erhofft sich auch, „über diese Hintertür nach Europa zu kommen“, wie Barbu Piţigoi sagt. Anläßlich der Rodae-Einweihung im November letzten Jahres sagte Rodae-Chef Tae Chang Yu, sein Konzern habe vor, die Hälfte der rumänischen Produktion nach Westeuropa zu exportieren. Daewoo wolle seine Aktivitäten auch in Usbekistan, Tatarstan, Iran, China, Vietnam, Indien und sogar Libyen ausweiten. Bereits im letzten Jahr begann Daewoo mit dem Bau eines Automontagewerkes in Usbekistan, für das aus Rumänien Motoren und andere Teile geliefert werden sollen. Mehr ließ der Rodae-Chef allerdings nicht durchblicken.

Bei Rodae in Craiova müssen die Arbeiter und Arbeiterinnen nun erst einmal nach koreanischen Vorstellungen arbeiten lernen. Das jedenfalls gibt ihnen Gewerkschaftschef Marian Miclici auf einer Versammlung indirekt zu verstehen. Nachdrücklich wiederholt der stämmige, bärtige Mann, an die Versammelten gewandt, daß „ihr nicht nach Südkorea fahrtm, um Urlaub oder Geschäfte zu machen, sondern um etwas zu lernen. Ich hoffe, das ist klar“.

Einige Arbeiter schauen sorgenvoll drein. Dafür werden sie in Zukunft auch besser bezahlt werden. Marian Miclici will beim Rodae-Management umgerechnet mindestens 350 Mark für die Arbeiter heraushandeln, das Doppelte des bisherigen Monatslohnes. „Den Koreanern habe ich gleich gesagt“, erzählt er und schlägt mit der Faust auf den Tisch, „daß wir wegen der Inflation nur auf Dollarbasis verhandeln.“