„Angela Marquardt ist in der falschen Partei“

■ Kerstin Müller, Fraktionssprecherin der Bündnisgrünen, zum Bundesparteitag der PDS

taz: Hat sich nach dem Bundesparteitag die Einstellung Ihrer Partei zur PDS verändert?

Kerstin Müller: Der PDS-Parteitag war eine ganz nette Inszenierung: Sahra Wagenknecht mußte zwar als Bauernopfer herhalten, aber es kam zu keiner wirklich ernsthaften Aufarbeitung der Vergangenheit. Das sieht man allein daran, daß der sogenannte Reformerflügel der PDS Leute wie André Brie, der immerhin fast 20 Jahre der Stasi zugearbeitet hat, für den Posten des Bundesgeschäftsführers vorgeschlagen hat.

Brie ist doch gescheitert.

Aber warum? Doch nicht, weil er 20 Jahre IM der Stasi war, sondern weil sich der sogenannte Reformerflügel der PDS nicht durchsetzen konnte. Dennoch kann man die PDS nicht mehr mit der SED gleichsetzen. Der Erneuerungsprozeß innerhalb der Partei hat begonnen, ist aber längst noch nicht abgeschlossen. Die PDS hat noch einen überzeugenden Glaubwürdigkeitsnachweis zu erbringen, besonders wenn es um die ernsthafte Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit geht. Die PDS ist zwar keine Ausgeburt der Demokratie, aber auch keine Bedrohung mehr für die Demokratie.

Die PDS will eine linke Kraft innerhalb der Parteienlandschaft werden. Fürchten Sie sie als ernstzunehmende Konkurrenz?

Ich sehe dieser Konkurrenz mit Gelassenheit entgegen. Wenn man zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung über die Reformpolitik in diesem Land kommt, wird sich zeigen, daß die PDS im Kern aus ehemaligen Funktionären besteht. Der eigene Laden wird eine wirkliche Reformpolitik nicht mitmachen. Ein Beispiel: Die PDS ist auf Bundesebene gegen die Abschaffung des Asylrechts eingetreten. Gleichzeitig erklärte der Bürgermeister von Hoyerswerda, seines Zeichens PDS, seine Bürger seien noch nicht reif für Ausländer und lehnte den Zuzug von Asylbewerbern ab. Diese Widersprüche werden noch deutlicher zutage treten, wenn die Ausgrenzung der PDS mit Hilfe formaler Fragen aufhört.

Die 23jährige Angela Marquardt wurde am Wochenende zu einer der stellvertretenden Vorsitzenden der PDS gewählt. Befürchten Sie nicht, die PDS könnte den Grünen mit ihrer Hilfe das junge Wahlvolk abspenstig machen?

Ich erhoffe mir von einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der PDS, die ja bisher noch nicht geführt wurde, daß solche Leute wie Angela Marquardt einsehen, daß sie in der PDS auf verlorenem Posten stehen. Die Partei besteht ja nach wie vor zu einem großen Teil aus Altkadern. Wenn es um wirkliche Reformpolitik geht, sind solche Leute wie Marquardt besser bei den Grünen aufgehoben.

Angela Marquardt sollte also bei den Grünen eintreten?

(lacht) Wir müssen uns natürlich die Frage stellen, warum Frauen wie Angela Marquardt oder die Fraktionsführerin Sachsen-Anhalts, Petra Sitte, nicht bündnisgrün sind. Ich habe nichts gegen Frau Marquardt, ich finde nur, daß sie in der falschen Partei ist.

Könnte es künftig zu einer Zusammenarbeit Ihrer Partei mit der PDS kommen?

Auf Bundesebene stellt sich die Koalitionsfrage nicht. Die Frage der Zusammenarbeit wird sich in Berlin stellen. Dort muß der Landesverband darüber entscheiden. Ich denke, wenn die PDS tatsächlich einen überzeugenden Glaubwürdigkeitsnachweis ihrer Vergangenheitsaufarbeitung erbringt, ist sie prinzipiell auch koalitionsfähig. Dafür reicht aber das Bauernopfer Sahra Wagenknecht nicht aus. Interview: Karin Flothmann