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Amerikas beliebteste Soap-opera Von Andrea Böhm

Gelobt sei das Wochenende, wenn das Fernsehgericht ruht. Soll heißen: Ich genieße die Tage, an denen man bei Zappen durch die Kanäle nicht mindestens sechsmal auf das gleiche Bild aus einem Gerichtssaal in Los Angeles stößt, in dem derzeit Amerikas beliebteste Soap-opera aufgeführt wird: der Prozeß gegen O. J. Simpson.

Tag eins: Staatsanwältin fast in Tränen ausgebrochen. Tag zwei: Staatsanwalt mit Herzbeschwerden ins Krankenhaus. Tag drei: Angeklagter humpelt durch den Saal und entblößt sein lädiertes Footballer-Knie. Die Nation sitzt vor der Glotze – zumindest behaupten das die Fernsehanstalten –, zischt Bier oder Diet-Coke und erquickt sich an diesem Drama aus der unheilen Welt. Daß es hier um einen Doppelmord geht, ist fast schon wieder zur Fiktion geworden.

Abends dann der Nachschlag aus den Studios der TV-Klatschmagazine: Was Sie immer schon über das Sexleben der Zeugen, den Ex- Gatten der Anklägerin oder den Laptop-Computer des Richters wissen wollten, hier erfahren Sie es. Auf dem „E! Entertainment“- Kanal gibt's was zum Mitmachen. Telefonjustiz. Ist er schuldig oder nicht? Bitte rufen Sie unsere gebührenfreie Nummer an ... Selbst seriöse Presseorgane (welch ein Wort) hält es da nicht mehr: Was sagen ModeexpertInnen zum Outfit des Angeklagten, seiner Anwälte und seiner AnklägerInnen? Nachzulesen in der Los Angeles Times.

Selbst wer ahnungslos in den Buchladen geht, ist von Schnellschußproduktionen zum Thema O. J. Simpson umzingelt. Eine Freundin der Toten macht Kasse mit einer seicht-schlüpfrigen Biographie von Nicole Brown Simpson. „Raging Heart“ heißt das nächste Machwerk. Versprochen werden exklusive Photos und die „intime Geschichte der tragischen Ehe“ zwischen O. J. und Nicole. Ausgesprochen verbraucherfreundlich ist das Buch eines gewissen Charles Rosenberg, Anwalt von Beruf, der dem Fernsehzuschauer einen juristischen „TV Guide“ geschrieben hat. Am Freitag schließlich kam Simpson mit seinem eigenen Buch auf den Markt. „I Want to Tell You“ lautet der Titel. „Meine Antwort auf Ihre Briefe, Nachrichten und Fragen“. Gemeint sind die über 300.000 meist wohlwollenden Briefe, die der Ex-Footballstar seit seiner Verhaftung erhalten hat. Aus dieser Korrespondenz wird ausführlich und gezielt zitiert. Eine Kostprobe: „Ich glaube nicht, daß Sie Nicole und Ronald umgebracht haben“, schreibt eine Zwölfjährige. „Und selbst wenn, wäre ich immer noch Ihr Fan. Jeder macht mal Fehler.“

Den Rest der 208 Seiten füllen kategorische Beteuerungen seiner Unschuld, Hiebe gegen die Medien sowie Zitate aus der Bibel. Das Opus kostet 17.95 Dollar. Die Einnahmen dürften vermutlich die Verteidiger einstreichen, für deren Dienste Simpson pro Woche 60.000 Dollar berappen muß. Für Simpson-Junkies gibt noch die Audiokassette, auf der der Autor aus seinem Werk liest.

Der Film zur Soap-opera, der laut Time-Magazine „in seinen Enthüllungen so schockierend ist wie ein alter Kalender“, lief gestern abend auf Kanal 5. Ich hab's verpaßt. Dafür kommentierten Kanal 4, 7, 9, 11, 41, 42 und 50 ausführlich und live die Geschehnisse im Gerichtssaal.

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