Der Kampf um 1.000 Arbeitsplätze

Über die Bedingungen des Buna-Verkaufs an Dow Chemical wird noch einmal verhandelt / Von den geplanten 4,5 Milliarden Mark Investitionen kommen 3 Milliarden aus der Staatskasse  ■ Von Detlef Krell

Dresden (taz) – Eigentlich sollte heute der Buna-Verkaufsvertrag unterschrieben werden. Aber die Füllfederhalter werden wohl zunächst stecken bleiben. „Wir haben den Eindruck, daß man bei Dow Chemical nachdenkt“, meint der Betriebsrat der ostdeutschen Chemiefirma über den US-amerikanischen Möchtegerninvestor.

Für den 6. Februar hat Wirtschafts-Staatssekretär Johannes Ludewig nach Bonn geladen. Er will zwischen Vertretern von Dow Chemical Deutschland, dem Buna-Betriebsrat und der Treuhand- Nachfolgerin, der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, vermitteln. Dabei geht es in erster Linie um über 1.000 Jobs.

Kurz vor Toresschluß, Ende Dezember, hatte die Treuhand noch auf den Verkauf des ostdeutschen Polyolefinverbundes an Dow Chemical, den fünftgrößten Chemiekonzern der Welt, angestoßen. 80 Prozent der Anteile am Verbund wollen die Amerikaner übernehmen, über die restlichen Anteile will die Treuhand-Nachfolgerin im Frühjahr mit der Gazprom AG verhandeln. Dow Chemical will aber von den derzeit 6.000 Chemie-Arbeitsplätzen der drei Standorte längerfristig nur 1.800 erhalten. Dagegen sah ein von Aufsichtsrat und Treuhand bestätigtes und vom Bundeskanzler im Wahlkampf unter die Leute gebrachtes Konzept die Erhaltung von knapp 3.000 Stellen vor. „Wir sind nicht gegen Dow“, erklärt Betriebsratsmitglied Jürgen Arbther, „uns geht es um die Differenz von 1.000 Arbeitsplätzen.“

Zum ostdeutschen Polyolefinverbund gehören neben der Schkopauer Buna GmbH deren Tochtergesellschaften Leuna Polyolefine und die Sächsischen Olefinwerke Böhlen. Der amerikanische Konzern will in das Chemiedreieck bis zu 4,5 Milliarden Mark investieren. Diese Investitionen werden jedoch mit mindestens 3 Milliarden Mark aus der Staatskasse bezuschußt. So wird der Bau einer Gaspipeline von Böhlen zum Rostocker Hafen mit 400 Millionen Mark aus der Staatskasse finanziert, und auch die Sanierung der Altlasten geht auf Staatskosten.

Zwei produzierende Geschäftsbereiche sowie Forschung, Einkauf und Marketing sollen geschlossen werden. Schlicht „Marktbereinigung“ ist das für die Belegschaft. Buna-Pressesprecher Gerhard Dorendorf meint zwar, daß es bei der Bewertung des Privatisierungskonzeptes „keine Konfrontation zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat“ gebe. Gespräche mit Dow Chemical und der Bundesanstalt würden mit dem Ziel geführt, „an den Eckwerten zu arbeiten und für Buna mehr herauszuholen“.

Dennoch drückt Buna-Manager Bernhard Brümmer aufs Tempo. Er kennt Dow Chemical gut, war für den Konzern jahrelang in den USA und in Deutschland tätig. Seiner Auffassung nach ist der zügige Verkauf die einzige Chance für die drei Chemiestandorte. In den vergangenen fünf Jahren sei bei Buna eine „Restrukturierung aus eigener Kraft“ verpaßt worden.

Brümmer beziffert die Buna- Verluste von 1994 mit 277 Millionen Mark, das sind 109 Millionen weniger als im Vorjahr. Im nächsten Jahr könnte Buna, Verkauf und Investitionen vorausgesetzt, verlustfrei arbeiten.

„Wir klammern uns nicht an Idealvorstellungen.“ Inzwischen zeigt sich der Buna-Betriebsrat sogar weitgehend kompromißbereit. Die „schmerzhaften“ Geschäftsfelder, meint Jürgen Arbther, könnten ja auch aus dem Verbund herausgelöst und getrennt privatisiert werden. Ob es den Mutigen gibt, der sich im Schatten von Dow auf diesen Markt stürzt, scheint allerdings auch Optimisten fraglich.