■ Wasserstand
: Schenkenschanz evakuiert

In den Niederlanden wurden insgesamt 85.000 Menschen aus den Überschwemmungsgebieten an Maas und Rhein evakuiert. Bei der Zwangsräumung wurden rund 1.000 Soldaten eingesetzt. In Maastricht mußte ein Knast geleert werden. Es war die größte Evakuierungsaktion seit dem Dammbruch in der Provinz Seeland im Jahr 1953. Die Deiche sind weiter gefährdet; möglicherweise müssen weitere 200.000 Menschen aus ihren Häusern ausziehen.

An der Grenze zwischen Frankreich und Belgien wurden ebenfalls mehrere Orte evakuiert. Die Stadt Brügge bleibt weiter gefährdet. In Frankreich zeichnete sich in den anderen Landesteilen dagegen eine Besserung ab; der Pegel der Seine in Paris lag gestern zehn Zentimeter unter dem vom Montag. Mindestens 8.000 französische Arbeitnehmer wurden wegen der Überschwemmungen in Zwangsurlaub geschickt.

Am Rhein sind die Pegel ebenfalls gesunken. Im Süden – an Oberrhein, Neckar und Tauber – ging der Wasserstand deutlich zurück. „Der ganze Krempel fällt“, meinte ein Mitarbeiter der Karlsruher Hochwasserzentrale. In Köln soll der Rhein heute unter die Zehnmetermarke sinken – nach dem Maximum von 10,69 Metern in der Nacht zum Dienstag. Entwarnung wurde noch nicht gegeben. Denn in Köln läßt das Hochwasser nun die Grundwasserspiegel deutlich ansteigen. Selbst in Häusern, die mehrere hundert Meter hinter der Wasserlinie liegen, können die Keller in den nächsten Tagen volllaufen. In Köln drohen 40 000 Gebäuden nasse Kellergewölbe.

Am unteren Niederrhein stiegen die Pegel dagegen weiter. Der Ort Schenkenschanz wurde vorsorglich evakuiert; die Menschen in Kleve sollten sich auf den möglchen Umzug vorbereiten. Das Maximum in den Gebieten nahe den Niederlanden wird heute erwartet.

Am Deutschen Eck bei Koblenz sinkt das Wasser pro Stunde um einen Zentimeter; auch Frankfurt und die Städte in Nordbayern melden Besserung und hoben den Katastrophenzustand wieder auf.

Der Wetterbericht für die nächsten Tage prophezeit kaum noch Regen. Die Situation werde sich weiter entspannen.

Bundesfinanzminister Theo Waigel will 30 Millionen Mark zur Soforthilfe beisteuern. Doch nicht jeder kriegt was: Das Geld sei für Gewerbetreibende bestimmt, die nach dem Hochwasser vom Dezember 1993 schon wieder betroffen sind, erklärte Waigel. Außerdem sei es in erster Linie die Aufgabe der Länder, den Betroffenen zu helfen.

Die Länder haben sich zumindest beim 93er Hochwasser zurückgehalten: Rheinland-Pfalz zahlte zehn, Bayern vier Millionen. In Nordrhein-Westfalen waren es fünf Millionen, davon 1,8 Millionen für Köln. Weil etwa 50.000 Menschen betroffen waren, macht das pro gewässertem Kölner im Schnitt 36 Mark.

Außerdem gibt's zumindest von NRW das Angebot für die Betroffenen, sich einen Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte für zerstörten Hausrat eintragen zu lassen. Doch das wirkt wegen der Steuerprogression wie jeder Freibetrag: Wer mehr verdient, also einen höheren Steuersatz zahlt, profitiert mehr vom Freibetrag. Außerdem ist der Eintrag nur mit bürokratischem Aufwand zu bekommen, den viele scheuen. Und schließlich hat NRW festgelegt, daß es für „Luxus“ nix gibt. Und was Luxus ist, entscheidet der Finanzbeamte.