„Das würde hochkochen“

■ Türkische Kinder und Jugendliche müssen um ihr Spielhaus „Stader Caddesi“ fürchten

Von außen sieht das Spielhaus aus wie ein alter Holzschuppen. Siebzig Prozent der 150 Kinder und Jugendlichen, die sich hier regelmäßig die Klinke des „Stader Caddesi“ in die Hand geben, sind TürkInnen. Auf rund 40 Quadratmetern machen sie ihre Hausaufgaben, lernen Schokoladenpudding kochen, abends kommen die türkischen Mütter zum Deutschlernen, und wenn die Jungs dann noch die Tischtennisplatte aufstellen, ist der Laden absolut dicht. „Die Jungs drängeln sich vor allem hier, wenn drüben im Freizi Bispinger Straße Mädchentag ist“, sagt Bärbel Garbade, die Pädagogin vom Spielhaus. „Ins Freizi im Wehrschloß wollen die nicht, ins Freizi Friesenstraße im Steintor lassen sie die Eltern nicht, weil sie Angst vor dem Drogenproblem haben.“ Jetzt droht dem „Stader Caddesi“ Bei den drei Pfählen in Peterwerder die Schließung.

Das ist eigentlich schon seit seiner Gründung vor elf Jahren so. Damals ist das Spielhaus auf dem Gelände des Stader Kindertagesheims gebaut worden, und hat sich seither von Jahr zu Jahr seine Finanzierung neu erkämpft. „Das Problem ist, daß das Spielhaus ein ,Zwitterteil' ist“, erklärt Renate Kokaly vom Kindertagesheim. „Es ist einerseits eine Eltern-Kind-Iniative – wir haben zusammen mit den Eltern den Stader-Caddesi-Verein gegründet. Andererseits ist das Spielhaus dem Kindertagesheim zugeordnet.“ Bärbel Garbade, die einzige hauptamtliche Kraft fürs Spielhaus, wird seit Jahren über Differenzierungsstunden aus dem Kita-Bereich bezahlt, was immer wieder neu vom Jugendamt bewilligt werden mußte.

Nun werden aber die Differenzierungsstunden von Bärbel Garbade (19 an der Zahl) von den Kitas wieder dringend gebraucht, sie sollen zurückgehen, und damit auch Bärbel Garbade. Die im Spielhaus mitarbeitenden, türkischen Honorarkräfte können aber allein nicht weitermachen, und die Forderung, dem Spielhaus eine eigene feste Stelle zuzuordnen, wurde bislang von der Sozialbehörde nicht eingelöst. „Es wird da auch keine neuen Stellen geben“, sagt Maria Spieker, für die Grünen in der Deputation für Jugendhilfe. „Trotzdem müssen wir dringend einen Pool für solche Härtefälle schaffen.“

Würde das „Stader Caddesi“ schließen, „würde das hier hochkochen“, befürchtet Renate Kokaly. Schon jetzt würden ständig Scheiben eingeschmissen, wenn das Spielhaus mal wegen Krankheit oder Urlaub nicht geöffnet ist. Die Bindung der Kinder und Jugendlichen ans Haus ist enorm, bestätigt auch Bärbel Garbade. Das „Stader Caddesi“ ist erste Anlaufstation für türkische Mädchen, die zu Hause raus wollen, die Eltern suchen Hilfe für Kindergeldanträge oder in Strafsachen. „Davon profitieren auch wir vom Kindertagesheim“, sagt Renate Kokaly. „Wir haben uns durch das Spielhaus gemeinsam zum Stadtteil hin geöffnet, sind sozusagen auch eine Sozialberatungsstelle geworden.“ Der Kontakt zu den Eltern ist intensiver, oft rufen Lehrer an, die ihre SchülerInnen zur Hausaufgabenbetreuung schicken wollen.

„Das Spielhaus ist eine wichtige Einrichtung“, findet auch Heike Blank vom Ortsamt Mitte/West. Die Arbeit des „Caddesi“ sei hervorragend, vor allem weil sich der Einzugsbereich des Hauses über Peterswerder hinaus bis ins Steintor, in den Hulsberg und nach Hastedt erstrecke. „Man muß doch auch mal das Engagement der Eltern honorieren.“ Diese haben über den „Stader-Caddesi-Verein“ zumindest Fördermittel für pädagogisches Material und eine feste muttersprachlich türkische Honorarkraft, die 15 Stunden in der Woche dasein kann, erhalten. „Wir vom Ortsamt können da kaum was machen, wir können die Beiräte informieren und versuchen, das Spielhaus zum Politikum zu machen.“

Das empfiehlt auch die grüne Politikerin Maria Spieker. „Ich finde, es muß erst nochmal das Gespräch mit der Behörde gesucht werden. Wenn das nicht fruchtet, muß das Thema vor den Jugendhilfeausschuß und in die Deputation.“

„Auf jeden Fall ist das Haus bis zum Sommer gesichert“, sagt Wolfgang Beyer, Sprecher der Sozial- und Jugendsenatorin Irmgard Gaertner. Wie es danach weitergeht, das weiß allerdings auch in der Sozialbehörde noch niemand. Das Problem ist seit Jahren immer dasselbe: „Frau Garbade sitzt auf einer Differenzierungsstelle für Kindergärten. Wenn sie im Caddesi weiterbeschäftigt wird, fehlen woanders die Stunden.“ Allerdings gebe es Hoffnung, meint der Behördensprecher. Die heißt ,Weiterwurschteln wie bisher'. Bislang habe es das zuständige Amt für Soziale Dienste Ost immer hingekriegt, daß die Arbeit im Spielhaus wieder ein Jahr weitergegangen ist. Beyer: „Das wird sich in den nächsten Monaten entscheiden.“ sip