Moderate Mondänitat

Ein Abend zwischen Rokoko und VEB- Jena-Glas  ■ Von Kirsten Niemann

Kultur gehört zum Großstadtleben wie der Alkohol zur Party. Was ist also naheliegender, als beides in einen Topf zu werfen? Man denke nur an eine solch fest etablierte Institution wie die Ausstellungseröffnungen des Pop- und Pappmaché-Artisten Jim Avignon, der dieses Prinzip ja längst über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt gemacht hat.

Die Veranstalterinnen Lisa von Treskow, nach eigener Auskunft Geschmacksberaterin, und ihre Partnerin Iris Schmied, die erst kürzlich mit ihrer Blondinenparty im Boudoir selbst der Bild-Zeitung auffiel, setzen sich hohe Ziele. So luden sie am vergangenen Freitag unter dem Namen „L'Age d'Or“ zum Opening ihrer House-Events, auf denen verschiedene Kunstgenres wie Mode, Architektur, Musik, Kunst und Film auf einer Party vereinigt werden sollten. An die Salonkultur der Golden Twenties anknüpfend, sollte mehr Spaß in die Berliner Kunstszene gebracht werden.

Einiges gelang durchaus: erstklassig waren beispielsweise die DJs Frankie und André López, die mit ihrer House-Selection auch im Café Moskau, im Tresor und im 90² auftreten. Ebenfalls sehr gut gewählt war die Location: der „Club von Berlin“, der schon seit 1893 bis in die Weimarer Jahre als Herrenclub gutsituierter Industrieller diente und zu DDR-Zeiten ein streng limitierter „Klub der Kulturschaffenden“ war.

Über ein prächtiges marmornes Treppenhaus, das vom Berliner Künstler Rinaldo Hopf mit großformatigen, goldgrundigen Fahnen verhängt wurde, gelangt man in die Festsäle. Gigantische Kronleuchter aus massivem VEB-Jena- Glas versprühten dort ihren pompösen Ost-Charme. Hierzu gesellten sich aus der Welt der Mode brokatlastige „Rococo Gliterati“- Fummel der französischen Belle Époque, die von angestaubten Kleiderträgern spazierengeführt wurden.

All das sollte nun, wie die Einladung verhieß, „das moderne Publikum einer Großstadt“ auf amüsante Weise erfrischen. Diesem ersten „Golden House“-Abend werden sechs weitere folgen, die die Farben Rosa, Silber, Weiß, Schwarz, Rot und Blau in den Vordergrund stellen. Weder ein Termin noch der Veranstaltungsort für die nächste, die „Pink House“- Fete, stehen fest. Ein „Location- Hopping“ ist auf alle Fälle angesagt. Auch die Künstler sollen wechseln. Ein besonderes Bonbon: Die beiden Damen werden sich bemühen, für die noch ausstehenden Acts Artisten aus sechs weiteren europäischen Hauptstädten nach Berlin zu holen.

Der mondäne Anspruch dieser Veranstaltung hatte jedoch verschiedene Hindernisse zu meistern. So trugen die zahlreich anwesenden Journalisten, vom schnöseligen Zeitgeist-Schreiberling bis zum ZDF-Kamerateam, ihre berufseigene Distanz durch die Auswahl der Kleidung zur Schau, die der Amerikaner treffend als „casual“ bezeichnen würde. In scharfem Kontrast dazu das reichlich erlesene „moderne Publikum“: overfashioned Hairstyling, Klamotten, die nur aus dem Kostümverleih stammen können, und blasierte Miene zum lustigen Treiben. Blockbildung war also unvermeidlich.

Als hätte sie sich abgesprochen, versammelte sich die Journaille in der Bar, um sich mit einem Beck's aus der Flasche der Herausforderung des Abends zu stellen. „Das Publikum hier hätte ich mir aber anders vorgestellt“, kommentierte ein kaninchenfellbemantelter Glatzkopf, der auf hohen Plateausohlen den Raum betrat.

Eigentlich hätte es ein wundervoller Abend werden müssen, zumindest wenn man auf Dinge wie „Events“, „Locations“ und „Selections“ besteht. Doch eine ausgelassene Partystimmung sollte beim besten Willen nicht aufkommen. Im Gegenteil. Das Fest geriet ungefähr so steif wie ein Schulausflug ins Deutsche Museum. Wurden vielleicht zu wenig Gäste geladen? Nach offiziellen Angaben wurden zwar 600 Leute über den Abend gezählt, die doppelte Menge hätte der Veranstaltung aber sicherlich besser getan. Das eigentliche Herzstück des Lokals, ein gigantischer Tanzsaal, blieb nämlich bedauerlicherweise einer der weniger frequentierten Räume.

Doch für eine miesepetrige Antipropaganda ist es nach diesem Auftakt sicherlich verfrüht. Nächstes Mal wird ohnehin alles ganz anders und viel besser. Denn dann dürft Ihr ja alle kommen, nicht nur wenig schillernde Journalisten und Knautschlackstiefelträger! Und soviel sei heute schon mal verraten: Termin und Ort für die nächste Veranstaltung wird in ungefähr fünf Wochen bekanntgegeben.