: „Dem Herrn Stoiber sitzt der Kirch im Nacken“
■ Heide Simonis, SPD-Ministerpräsidentin des Bundeslandes Schleswig-Holstein, will eine starke ARD und eine breite Vielfalt, ohne daß die Politik sich immer reinhängt
taz: Sehen Sie eigentlich fern, Frau Simonis, können Sie den Streit beurteilen?
Heide Simonis: Also, ich sehe relativ wenig, ich bin auch nicht über jedes Programm von ARD und ZDF so begeistert, daß ich auf dem Tisch Tango tanze. Aber niemand muß sich etwas angucken. Leider haben sich die Öffentlich- Rechtlichen verlocken lassen, mit den Privaten um Zuschauerquoten zu wetteifern. Das mußte schiefgehen. Ihre Aufgabe ist, soviel Information, von Sport bis Kultur, für alle Altersgruppen und mit soviel Qualität wie möglich rüberzubringen. Dafür bekommen sie die Gebühren.
Warum ist der Vorschlag so absurd, die Dritten Programme zu stärken – sagen wir mit einem nationalen Fenster, etwa für Auslandsberichterstattung – und auf das Erste zu verzichten?
Weil bei ihnen nicht die Grundversorgung sichergestellt ist. Denn die bedarf mehr als nationaler Fenster. Dazu bedarf es eines von den Ländern allein zu gestaltenden Ersten, in dem sich auch die Vielfalt der Länderunterschiede widerspiegelt. Wo ich auch mal an einem Abend einen „Komödienstadl“ ertragen muß, die anderen müssen sich dafür das nächste Mal „Ohnsorg“ anschauen. Auch die Umfragen zeigen, daß die Deutschen ein Programm haben wollen, das sie als ihr gemeinsames ansehen. Und das ist das Erste.
Das ZDF reicht da nicht?
Wir brauchen beide, damit sie sich im Sinne eines Qualitätswettbewerbs Konkurrenz machen. Wir brauchen ARD und ZDF, wenn wir nicht vom Werbefernsehen, mit Filmchen zwischendrin, erschlagen werden wollen.
Sie haben im November den Vorschlag unterstützt, in ARD und ZDF auch nach 20 Uhr Werbung zu senden, um deren Finanzen auszugleichen...
Ganz so einfach habe ich mir das nicht gemacht. Wir haben gesagt: Zunächst müssen sie selber sparen. Da muß man sehen, wo man kooperieren kann und die Festkosten anschauen. Was für den öffentlichen Dienst richtig ist, gilt auch für die Fernsehanstalten. Wenn sie das gemacht haben, kann man überlegen, ob acht Uhr abends eine heilige Grenze bleiben muß. Auf jeden Fall sehe ich keine Unterbrecherwerbung.
Also keine Gebührenerhöhung?
Zunächst mal nein.
Ist überhaupt noch ein Konsens denkbar beim Staatsvertrag?
Die Kostenfrage ist vorgeschoben. Da könnten wir uns alle sofort drüber unterhalten. Viel spannender ist die politische Dimension. Biedenkopf und Stoiber haben ja auch noch nicht gesagt, daß sie kündigen. Übrigens, was der Herr Biedenkopf tut, ist Medienimperialismus. Der hat, was den MDR angeht, noch zwei andere Länder zu fragen. Herr Höppner in Sachsen-Anhalt ist ganz schön sauer.
Können Sie sich die ARD ohne Bayern und Sachsen vorstellen?
Wir wollen das ja nicht. Wenn ich jetzt mitbekomme, daß das eigentliche Ziel ist, Schwarzfunk gegen angeblichen Rotfunk zu bekommen, dann ist das Bundesverfassungsgericht unterlaufen worden, das uns Politiker ausdrücklich zwingt, uns zurückzuziehen. In einer demokratischen Gesellschaft muß doch eine breite Vielfalt möglich sein, ohne daß die Politik ihre Finger reinhängt. Dem Herrn Stoiber sitzt ja der Leo Kirch im Nacken, aber was in Herrn Biedenkopf gefahren ist, verstehe ich wirklich nicht. Interview: Michael Rediske
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