La Campagne im Endlosstreit

■ Junge Union forciert Widerstand gegen den Einzug obdachloser Junkies in das ehemalige Hotel/ Jeder Aufschub kostet pro Monat 30.000 Mark

„Hornberger Schießen“ So bezeichnet Georg Kurz, Mitarbeiter der Bremer Drogenhilfe, die Anwohnerversammlung vom Mittwochabend in Horn-Lehe.

Es sollte um Lösungsansätze für die Probleme gehen, die die AnwohnerInnen mit dem Einzug von 31 obdachlosen Drogensüchtigen in das ehemalige Hotel La Campagne verbinden. Doch etwa 80 der knapp 100 BesucherInnen, schätzt Kurz, versuchten sich an einer neuerlichen Grundsatzdebatte des vom Sozialressort gegen den Beirat beschlossenen Umzuges der Junkies vom Junkie-Übernachtungsschiff Jola ins La Campagne (vgl. taz vom 12. und 18.1.95).

Das Amt für Soziale Dienste und die Drogenhilfe hatten etwa 200 unmittelbare AnwohnerInnen eingeladen, aber Kurz vermutet, daß „die meisten von weiter weg kamen und organisiert waren.“ Vertreten war etwa die Oberneulander „Initiative für humane und rationale Drogenpolitik“, die Junge Union verteilte Flugblätter vor der Tür: „Die JU lehnt die gegenwärtige Praxis ab, Unterbringungs-Standorte (für Drogensüchtige, die Red.) stets zunächst in Wohngebieten zu suchen,“ heißt es da. „Die JU zeigt keinerlei Verständnis dafür, daß der Ampelsenat einerseits ständig neue Sparmaßnahmen im Bereich der inneren Sicherheit diskutiert, der Bevölkerung im Gegenzug aber fortlaufend neuen sozialen Sprengstoff zumutet. Eine solche Politik wird von gesetzestreuen Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr verstanden. Sie gibt lediglich rechtsradikalen Kräften neue Nahrung.“

Die JU sieht hinter den Plänen des Sozialressorts den Versuch, die durch eine verfehlte Ampelpolitik entstandenen „Überkapazitäten im Unterbringungsbereich“ loszuwerden. Die Stadt habe, obschon dank der von der CDU forcierten Asylrechtsänderung die Bedarfszahlen an Wohnplätzen gesunken seien, weiterhin Häuser gemietet, die nun von Drogenabhängigen belegt würden. Das aber sei „gefährlich“, warnt die JU: „Auch bereits angemietete Objekte, die sich in Wohngebieten befinden, dürfen nicht für Drogenabhängige bereitgestellt werden.“

Dem schließt sich die „Initiative für humane und rationale Drogenpolitik“ an. Wilfried Wagner, einer der Sprecher der von ihm auf sechs Leute bezifferten „Kerngruppe“: „Es muß andere Möglichkeiten geben, als die Drogensüchtigen in Wohngebieten unterzubringen.“ Er plädier für die „zentrale Unterbringung“, wo, sei Sache des Senats. Außerdem hat, rechnet Wagner, die Aufstellung der Container an der Fohlenweide, bereits 750.000 Mark gekostet, samt Abriß nun 1 Million Steuergelder. „Warum hat man die Drogensüchtigen nicht gleich in der Oberneulander Landstraße untergebracht?“

Antwort: weil niemand sie haben will. Tatsächlich kostet die dauernde Ab- und Aufschiebung der Unterkunfstprojekte für Drogensüchtige immense Summen: Gut unterrichteten Kreisen zufolge zahlt die Stadt dem Besitzer von La Campagne, einem Dr. Hess aus Berlin, der bundesweit als Vermieter von Häusern für schwer Vermittelbare Geld verdient, 30.000 Mark monatlich. Dies unabhängig davon, ob das Haus belegt ist. Zur Zeit wohnt eine elfköpfige Familie in dem ehemaligen Hotel.

Die Miethöhe mag Wolfgang Beyer, Sprecher des Sozialressorts, nicht bestätigen. „Über Konditionen spreche ich nicht.“ Daß die Behörde jedoch hinsichtlich der Unterbringung von Junkies durchaus erpreßbar ist, macht Beyers Entgegnung auf die Argumente der JU klar: „Wir haben auf dem freien Markt keine Unterbringungsmöglichkeiten für drogenkranke Menschen.“ Die für das Jahr 1995 vom Senat prognostizierten 217 abbaubaren Unterbringungsplätze im Zuwandererbereich würden zur Zeit noch weitgehend von bosnischen Flüchtlingen benötigt.

Wie immer, die Junkies warten schon zwei Jahre auf ihre vom Senat beschlossenen Unterkünfte. Das kann kaum, wie es der Drogenhilfe am Mittwochabend vorgeworfen wurde, als „humanitäre Selbstbefriedigung“ bezeichnet werden. Dora Hartmann