Knipskunst

Als schlichtestes und dauerhaftestes unserer Modeaccessoires nutzt der Fingernagelknipser gefälliges amerikanisches Know-how, um unsere Nagelschnipsel durch die Luft zu katapultieren  ■ Von Nicholson Baker

Der berufstätige Mann hat in Sachen Schmuck nicht allzuviel vorzuweisen. Der schlichte Ehering ohne Stein, die Uhr, die Gürtelschnalle, die Schlüsselkette, der Wagen, vielleicht der dezent kostspielige blauemaillierte Füller in der Hemdtasche gehören zu den wenigen erlaubten Ventilen für den männlichen Drang nach Selbstdarstellung. Gelegentlich sind auch Kragenknöpfe, Manschettenknöpfe und der Blazer mit den nautischen Messingknöpfen zugelassen. Hosenträgerschnallen mit Basrelief, verschiedene Formen der Schlips- und Kragentakelung und klumpige Ringe sind Männern gestattet, die von Provisionen leben. Die Degradierung des Rauchens hat dem wohlgestalten Feuerzeug den Garaus gemacht. Hals- und Armketten sind nicht ratsam. Metallarbeiten für die männlichen Nasenlöcher, für Zunge, Ohren oder Stirn empfehlen sich nur in gesellschaftlichen Randbereichen.

Aber Finger- und Zehennagelknipser – in jeder Männermode nicht getragenes, aber elegantes Accessoire, weil noch kein Mann sich je mit langen Fingernägeln hat blicken lassen können (lang heißt: alles über vier Millimeter) – glitzern auch in einer ansonsten wenig glänzenden Zeit. Ebenso wie hübsche Schreibgeräte und Taschenuhren haben auch diese in der Hand verschwindenden Kuriositäten eine Funktion – sie sollen hornige Schrapnelle von wichtigen Teilen des männlichen Körpers mit kräftiger Plötzlichkeit entfernen, mit einem überzeugenden metallischen Schnappen, das ihrem Anwender die Illusion läßt, er erlange fortschreitend, Knips auf Knips aus gehärtetem Stahl, die Kontrolle über den Wirrwarr seines Lebens. Sie verschaffen uns einige der Genüsse, die man auch beim Gerätetraining im Sportstudio erfährt, aber ohne den Schweiß und die Sportkleidung; einige der Vergnügungen der Gelenkmanipulation ohne das Risiko arthritischer Deformation; einige der Belohnungen des Nüsseknackens, ohne die Nuß dann auch essen zu müssen. Bei ihrer Handhabung kann man sich über den Papierkorb beugen, aber das bietet zum Glück keinerlei Garantie, daß auch nur ein kleines Stück des Abgeknipsten dort enden wird; denn genauso wie Insekten derart schnell hüpfen oder davonfliegen, daß sie keine Ortsveränderung vorzunehmen, sondern sich einfach zu verflüchtigen scheinen, so verschwindet auch der Knipsrest in genau dem Augenblick, in dem die Zangenkiefer klingend aufeinandertreffen, fortgetrieben zu einem Fensterbrett oder in irgendeine unsichtbare Flugbahn befördert, um nie wieder zu stören, bis denn ein nackter Fuß ihn durch Zufall wiederentdeckt.

Der Markt für Knipser ist anscheinend nicht zu sättigen. Auch in diesem Jahr werden Millionen Männer einen kaufen, wie sie es seit Jahrzehnten tun, obwohl diese Wartungsgeräte sich fast nie abnutzen und völlig überflüssig sind. Man kann seine Nägel, ein Mindestmaß an Geschick vorausgesetzt, auch sehr schön mit einer anständigen Schere schneiden; tatsächlich ist in gewisser Hinsicht die Verwendung einer Schere weniger arbeitsintensiv als das Knipsen, denn trotz der hilfreichen Biegung der Knipskiefer bedarf es häufig drei winklig angesetzter Knipse, um dem Bogen eines Fingernagels zu folgen. (Die Schnittkanten sind verblüffend scharf, wenn man sich zum ersten Male damit kratzt, aber binnen eines Tages schleifen sie sich ab.) Knipser verkaufen sich immer, denn sie verschwinden ebenso sicher wie die Schnipsel und müssen ersetzt werden, und außerdem sind sie schön und billig. Ein großer durchsichtiger Behälter mit Markenknipsern für 99 Cent vor einer Supermarkt-Kasse ist ein so unwiderstehlicher Anblick wie ein Eimer frisch gefangener Elritzen. Sie haben das ideale Gewicht, die ideale Glätte, sie nutzen die Biegsamkeit ihres Materials, sowohl um ihre Bestandteile ohne Spiel beieinanderzuhalten als auch um ihre Kanten voneinander zu trennen. Sie scheinen aerodynamische Eigenschaften aufzuweisen. Und einmal gekauft, können sie ihr Profil in einem einzigen rätselauflösenden Flip-und-Dreh des Hebelarmes verändern, ohne exzessives Spiel, ohne Kraftaufwand oder gerissene Drehmanschetten, von der Elritzenform zur Grashüpferform und wieder zurück. Kinder eines findigen Gehirns, waren sie unsere ersten Spielzeugtransformer: metallische Zweiphasen-Origamis, die triumphierend japanisch wirkten und dennoch in ihrer perfektionierten Form ein Produkt der kleinen Stadt Derby waren, in Süd-Connecticut, in der Nähe der Hubschrauberfabrik Sikorsky.

In den vierziger Jahren stellte die W. Bassett Company Beschläge für Gummiabsätze von Männerschuhen her (sie sollten verhindern, daß Nägel durch die Sohle dringen), außerdem Teile für die US-Artillerie. Nach dem Krieg stattete William A. Bassett, der Gründer, seinen Betrieb in Derby neu aus und widmete sich der Produktion eines allen überlegenen Nagelknipsers, dem Trim Clipper. Das Knipser-Design war seit dem neunzehnten Jahrhundert in Gebrauch, aber Bassett wurde zu seinem Bernini. Er führte zum Beispiel an der Basis der winzigen (und von manchen nie benutzten) Nagelfeile zwei wohldurchdachte Dellen ein, die den Hebelarm in geschlossener Position festhalten; und er ersetzte die unbefriedigend geschäftete Niete durch eine wunderschön gekerbte. (Die Chinesen verwenden bei ihrem mittelmäßigen Baby-Nagelknipser noch immer die geschäftete Niete; sie werden für Evenflo hergestellt.) Auch die modische und patentierte Daumenkerbe im Trim-Hebel war Bassetts Idee. Laut Williams Bruder Henry war Bassetts bester Fingernagelknipser überhaupt das Modell Croydon aus den späten Vierzigern. Es trug das geprägte Emblem eines Klipperseglers und wurde in Esquire-Anzeigen für den Vertrieb in Juwelierläden angeboten. Aber William Bassetts Söhne, William C. Bassett, inzwischen Präsident und Schatzmeister, und Dave Bassett, inzwischen leitender Ingenieur, führen die Arbeit der Innovation und Kostenmaniküre fort. Trotz einiger erregender neuerer Produkte aus Korea, wo für Revlon alle kostspieligeren, aber nicht ganz so gut gearbeiteten Knipser hergestellt werden, übt der Trim-Knipser von Bassett noch immer die unumschränkte Herrschaft auf Erden aus. (Knipser werden erst nach ihrer Zusammensetzung verchromt. Bei den Revlon-Knipsern scheint der ursprüngliche Untergrund häufig in jenen Bereichen durch, wo in der elektrolytischen Lösung ein Teil durch ein anderes verdeckt wurde.

Bassetts sämtliche Manikürehilfen – von Raspelscheiben bis Pinzetten – erzielen bei erfahrenen Anwendern gute Noten; so bestellte zum Beispiel im letzten August die Sekretärin von Jerry Lewis direkt bei der Firma ein Dutzend Fünf-Zoll-dreifach-gekerbte- Trim-Nagelfeilen (jeweils mit blauen Vinyl-Schutzhüllen), weil Mr. Lewis sie an seinem Wohnort nicht bekam. „Die Pinzette ist ein sehr aufwendiges Produkt“, sagte kürzlich Dave Bassett. Jede Bassett-Pinzettenspitze (mit geschliffener Innenkante, „um das Haar besser zu erfassen“) wird einzeln unter einem Vergrößerungsglas inspiziert. Die Firma stellt Nagelknipser in Gold und in Chrom her; ihre Heirloom-Linie enthält Geschenkpackungen wie den Saddlebag, zu dem eine Schere, ein Flaschenöffner und zusammenklappbare Nagelfeilen gehören, zusammen mit einem Paar Knipser. Zu Weihnachten verkaufte Bassett diesmal das Festtags-Familien- Maniküre-Besteck, mit einem Finger- und einem Zehennagelknipser, zwei hölzernen Nagelhautschiebern, einigen Raspelscheiben und einer Pinzette, präsentiert vor einem Hintergrund wirbelnder Schneeflocken und sich aufbäumender Rentiere. (Kann man den Weihnachtsmorgen im Kreis seiner Lieben schöner verbringen?) Für Dr. Scholl hat Bassett ein besonderes Exemplar zehennagelspaltenden Wahnsinns geschaffen, mattschwarz und vergoldet, das sich auch im Rückfenster eines neuen Vierzig-Ventile-3,5-Liter- Ferrari nicht schlecht ausnehmen würde.

Es bringt nichts, sich mit den Parallelen zwischen der Pflege eines Fingernagels und der Herstellung eines Fingernagelknipsers abzumühen. Die Herstellung eines Knipsers ist entschieden komplizierter. Dennoch fällt auf, wie sehr die wegfliegenden kleinen Stücke Metallabfall an menschliche Nagelschnipsel erinnern, wenn die ohrenbetäubende Minter-Presse sie seitlich auswirft. Sobald sie geschnitten sind (aus Rollen von Midwestern Stahl, mit einer Aufschlagskraft von etwa fünfzehn Tonnen), müssen die Knipser- „Rohlinge“ von Öl gereinigt, punktgeschweißt, in Gestellen gelagert, zwei Stunden lang in einem klobigen Ofen gehärtet, dann ölgetränkt, erneut gesäubert und in einem zweiten Ofen ausgeglüht werden, um sie etwas schmiegsamer zu machen, und schließlich werden sie zusammen mit sechzigtausend Gefährten in riesigen Fässern mehrere Tage lang in einem Brei aus Metallstücken, Schleifmitteln und Kalk herumgewälzt, um störende Unebenheiten zu glätten. In vibrierenden Becken werden die Bestandteile in eine regelmäßige Folge gerüttelt, zur Vorbereitung auf die endgültige Vernietung, die ihrerseits von Fred-Astaire-artigen Salven hydraulischer Klopfer und Polierer begleitet wird. Jeder Knipser erhält eine geschärfte Schneide; ein digitales Bildsystem prüft die fertigen Schneiden auf ihre Parallelität. Am Hinterende eingeschossene Ösen befestigen die Nagelfeilen; dann durchläuft der gesamte ausgespreizte Knipser, an Haken aufgehängt, die Platinierungssequenz – zehn Minuten in einem warmen Nickelbad, eine oder zwei Minuten Chrom. Ein bewegliches Stück Pneumatik begradigt die gespreizte Feile und schließt den Hebel. Schließlich ist die Grundform des Bassett-Fingernagelknipsers einsatzbereit. Die Innenseite des Hebelarmes gibt Auskunft über das Herstellungsjahr.

Die Nagelpflege beschäftigt mich zugegebenermaßen erst seit kurzer Zeit, seit nämlich der große Stephen King in einer Einleitung zu seiner neuen Kurzgeschichtensammlung „Alpträume“ eines meiner Bücher als „belanglose Übung im Fingernagelschneiden“ bezeichnete. Sollen wir daraus den Schluß ziehen, daß der Barde von Bangor keinen eigenen Trim- Knipser (oder einen Gem oder einen Revlon, oder gar einen La Cross) besitzt oder ihn nicht zu benutzen weiß? Begreift er sich selbst als Nachfahre von James Joyces Künstler-Helden im „Bildnis des Künstlers als junger Mann“, der als „verfeinert, gleichgültig und seine Fingernägel säubernd“ beschrieben wird? Schnippelt er noch? (In Irland schnellen Bassetts Verkaufszahlen derzeit „wirklich in die Höhe“, verrät Barbara Shannon, die Marketing-Managerin der Firma; anscheinend sind die Iren Joyces manuelle Methoden leid und wählen mit Hife von Trim die Abkürzung zum wahren Künstlertum.) Oder will Mr. King andeuten, jemand wie ich feilte und fummelte noch verächtlich herum, während er, der marktkluge Profi, sich schon einer neueren Technologie bedient?

Wenn ja, dann kann ich Mr. King beruhigen: Auch ich knipse – nicht so häufig vielleicht, wie ich sollte, aber mit echtem Enthusiasmus. Auf der Suche nach wirklich authentischen Erfahrungen verwende ich für meine Fingernägel gelegentlich einen Zehennagelknipser und lasse mich von der Kraft aus dem Drehgelenk durchschauern; und für meine Zehen steige ich dann auf zu Revlons veterinärfähigem Nipper, einer papageienschnabeligen Waffe, die unverchromt den Eindruck hervorriefe, sie müsse in der Garage gelagert werden. Neulich startete ein festes, fast undurchsichtiges Hornstück – von den Resten meines verwüsteten Zehennagels losgetrennt durch dieses neunzehn Dollar teure, federbewehrte Stück brasilianischer Handarbeit – und landete in einer Schachtel mit Steuerunterlagen, wo es seither hof hält.

Wir können mit einiger Gewißheit (und Trauer) sagen, daß Nabokow keine Fingernagelknipser benutzte. Jedenfalls tat es John Shade nicht, der Dichter von „Pale Fire“:

Die kleine Schere, die ich

halte, ist

Aus Stern und Sonne eine

blendende Synthese.

Ich stehe vor dem Fenster, und

ich schneide

an meinen Fingernägeln ...

(Hervorhebung von mir).

Das Schneiden eines Fingernagels ist für Nabokow wichtig: Vielleicht bedeutet es ihm den Akt der Selbstbefreiung aus annotativer Knechtschaft, weil er sich demonstrativ der traditionellen Verwendung gelehrter Fingernägel als Randkennzeichner bewußt ist. In Puschkins „Eugen Onegin“ lernt Tatjana Onegin kennen, indem sie seine Bibliothek untersucht, und sie stellt (in Nabokows Übersetzung) fest: „Viele Seiten zeigten die deutlichen Spuren von Fingernägeln.“

Nabokows Kommentar zu diesen Zeilen erwähnt Sheridans „The Rivals“ (er tut das Stück übrigens beiläufig als „besonders alberne Komödie“ ab), wo jemand „seine Nägel pflegt, um Buchzeilen kennzeichnen zu können“. Nabokow fügt einigermaßen verwirrend hinzu: „Diese Kunst ist heute verlorengegangen.“ Wohl kaum: selbst mit einem knapp geschnittenen männlichen Daumennagel kann der Leser – was in Amerika auch heute noch üblich ist – eine deutliche Doppellinie erzielen, um eine interessante Passage zu markieren, wenn er ein Buch aus dem einen oder anderen Grund nicht beschmutzen möchte. In diesen mitternächtlichen Augenblicken des verlegten Bleistifts ist ein Nageleindruck außerdem weniger zerstörend und eine räumlich präzisere Gedächtnisstütze als das Eselsohr. Mehr noch, der Druck des durch seine momentane Schärfung deformierten Lesernagels auf das zarte Gewebe, das er beschützt, erzeugt vorübergehend im gesamten Daumen einen wollüstigen Reiz, der mehr als literarisch ist oder doch sein kann. – Aber der beunruhigendste Zug an Stephen Kings Beurteilung meines angeblichen „Nägelschneidens“ von einem Roman ist sein augenscheinlicher Glaube, ein Zehen- oder Fingernagelschnipsel in Buchform sei wirklich nicht mehr als belanglos. Im letzten September verkaufte Allen Ginsberg einen Sack Barthaare an die Universität Stanford. Mr. King sollte auf jeden Fall schon jetzt für sein Alter all die verkrümmten Reste aufsparen, die er knipst oder stutzt. Und der Meister des Grauens sollte doch auch die geheimen Schrecken wahrnehmen, die Seufzer der abgetrennten, aber ruhelosen Kreatur. Man denke an das bedrohliche norwegische Schiff der Apokalypse, Naglfar, aus den Nägeln toter Männer gemacht, das sich im Weltwinter Ragnarök losreißen wird, wenn der Wolf die Sonne verschlungen hat – „eine Warnung“, in Brian Branstons Nacherzählung, „daß ein Mann, der mit ungestutzten Nägeln stirbt, Baumaterial für Naglfar liefert (weder Götter noch Menschen gäben sich freiwillig dazu her)“. Gertrude Jobes' mythologisches Wörterbuch zitiert eine verwandte finno-ugrische Überlieferung, wonach der Böse alle am Sonntag abgeschnittenen Nägel sammelt und „mit ihnen das Boot baut, auf dem die Toten befördert werden“. In der litauischen Folklore (so berichtet Stith Thompson) machen „die Teufel aus den Schnipseln der Fingernägel kleine Mützen für sich selbst“. Ich hatte leider keine Gelegenheit, unter den Angestellten der Fabrik in Derby, Connecticut – es gibt dort viele Polen der ersten oder zweiten Generation – nachzufragen, ob sie ähnliche Erzählungen kennen.

Damit den Teufeln niemand unfreiwillig bei ihrer Hutmacherei helfen könnte (Man fragt sich, wie ein Hut aus Fingernägeln aussehen würde? Wie ein kleiner Weidenkorb für Schnickschnack vielleicht?), brachte die Bassett Company 1990 den Easy Hold Klipper auf den Markt. Das Easy-Hold- Sortiment bietet eine ungewöhnliche Hautschere für Rechts- und Linkshänder, mit Ruhepunkten für den Zeigefinger, mit der sich feiner arbeiten läßt (U.S. Gebrauchsmusterschutz No. 331.867); einen Halter für eine Schaumraspel; und eine größere Pinzette, mit der es ein noch teuflischeres Vergnügen bereitet, anderen Leuten Splitter herauszuziehen. Aber die neuen Nagelknipser bieten immer noch mehr: Außer einem rücksichtsvollen Plastikdaumenelement besitzen sie an den Kiefern einen Beutel, der fast jeden Schnipsel im Moment seiner Abtrennung auffängt.

Eric Rommerdale, der Leiter des Laboratoriums für Technologie an der zahnmedizinischen Fakultät der Universität von Mississippi in Jackson, ist die überraschende Hauptfigur hinter der Entwicklung all der Easy-Hold- Pflegeprodukte. Mr. Rommerdale, 52, ein ehemaliger Marineoffizier mit weißem Schnurrbart, ist die erfindungsreiche Selbstpflege nicht fremd, denn in seiner Freizeit entwickelte er für Behinderte Sunbeams Zahnbürstensystem mit drei Bürsten, bei dem die Hände nicht benutzt werden müssen, außerdem den Urinbeutel, der sich mittels eines Mundhebels entleeren läßt. Seine große Fingernagel-Stunde schlug im November 1987, als er in einem Stau steckte und einen Mann in den Siebzigern beobachtete, „mit Händen wie Baseballhandschuhe“, der seine Fingernägel zu schneiden versuchte. Dreimal fiel der Knipser zu Boden. Aus Polymerharz baute Rommerdale ein Paar zusätzlicher Knipser- Griffe und versuchte, Revlon dafür zu interessieren. Die Firma sagte unmißverständlich nein. Aber 1988 hörte sich William Bassett der Jüngere in der Lobby des Bridgeport Hilton einen Vortrag von Rommerdale an, ihm gefiel, was er hörte, und so bat er den Erfinder, die Griffigkeit des Handpflegesortiments zu überprüfen. Die medizinische Fakultät der Universität von Mississippi beurteilte und verbesserte dann die Prototypen, indem sie eine Gruppe gesprächiger älterer Beta-Tester auf Band aufnahm und beobachtete.

Obwohl Rommerdales ursprünglich abgerundeter Entwurf in seiner endgültigen Blasen erzeugenden Fassung einige unwillkommene Vorsprünge und Kanten erhielt, die geradezu nach Glättung schreien, ist es dennoch ermutigend, daß die Stilgeschichte des Knipsers noch keineswegs beendet ist. In diesem Januar werden alle Easy-Hold-Beschläge aus Plastik, die gegenwärtig noch in schlachtschiffgrau gehalten sind, lindgrün werden – nach ausgiebigen Kundenbefragungen in Kaufhäusern. Eric Rommerdale hat vor kurzem seine Lizenzgebühren dazu verwendet, seine Werkstatt neu auszustatten, und zur Zeit entwickelt er sicherere Werkzeuge für Fleischer und einen Dosenöffner für Behinderte. Anscheinend haben wir also noch ein bißchen Zeit, um unsere Nägel sorgfältig und gründlich zu pflegen, bevor der Weltwinter ausbricht und Naglfar in See sticht.

Aus dem Amerikanischen

von Meinhard Büning

(C) 1994 Nicholson Baker; deutsche Rechte: Paul & Peter Fritz AG, Literatur Agentur, Zürich. Von Nicholson Baker sind im Rowohlt Verlag erschienen: „Rolltreppe oder Die Herkunft der Dinge“, 234 Seiten, 34 DM; „Zimmertemperatur“, 160 Seiten, 32 DM; „VOX“, 192 Seiten, 28 DM; „Die Fermate“, 400 Seiten, 39,80 DM.