: Museum lebt von Entwicklungshilfe
■ Seit 1981 eine Million in die schwarze Kasse / Staatsanwalt ermittelt wegen Subventions-betruges bei Kooperationsprojekt von Angestelltenkammer-Tochter bbi und Überseemuseum
Das Bremer Überseemuseum hat sich in den letzten 14 Jahren eine schöne schwarze Kasse angelegt. Rund eine Million Mark ist darauf seit 1981 aus Honoraren eingezahlt worden, die Mitarbeiter des Überseemuseums nebenbei mit der Beratung von Entwicklungshilfeprojekten verdient hatten. So jedenfalls hat es der wissenschaftliche Angestellte des Museums, Götz M., in einem Brief an die Kultursenatorin dargestellt. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Subventionsbetrugs und Beihilfe zur Untreue (vgl. taz vom 3.2.).
„Es war geradezu erwünscht, sich quer und krumm Mittel für das Überseemuseum zu besorgen“, rekapitulierte Kultursenatorin Helga Trüpel gestern abend die Aktivitäten des Museums-Referats für „Entwicklungsfragen Dritte Welt“, das Götz M. leitet. Nach eigenen Angaben habe er dort seit 1981 mit aus Drittmitteln finanzierten Entwicklungshilfeprojekten einen Umsatz von rund 12 Millionen Mark gemacht und damit „Geld und Sachwerte“ von rund einer Million Mark dem Überseemuseum zugeführt.
Die Kulturbehörde hatte Mitte 1993 erstmals Verdacht geschöpft, als die Leiterin des Überseemuseums, Viola König, um Genehmigung eines Kooperationsvertrages bat. Das Überseemuseum und die skandalumwitterte Weiterbildungstochter der Angestelltenkammer „bbi“ wollten gemeinsam ein Fortbildungsprojekt für die indonesische Fischwirtschaft durchführen. Überseemuseums-Mitarbeiter M. hatte bei der EG 290.000 Mark dafür lockergemacht, brauchte aber noch einen gemeinnützigen und staatsfernen Träger (Fachjargon: „Non Profit Making Non Governmental Organisation“, kurz „NGO“), der das Geld offiziell beantragen konnte.
„In dem Brief von Frau König stand das Wort ,Honorarabtretung'. Das kam mir irgendwie komisch vor“, erinnert sich die Kulturressort-Justitiarin Sabine Mehlem. Gemeint war, daß das EG-Honorar für die Dienstreisen des Mitarbeiters M. nach Indonesien auf das Spendenkonto des Museums „abgetreten“ werden sollten. Das geschah dann auch, war allerdings illegal. Denn das im Dienst erwirtschaftete Honorar hätte direkt der Senatskommission für das Personalwesen – und damit dem Bremer Gesamthaushalt – zugeführt werden müssen. 7.000 Mark waren so vom „bbi“ an der Staatskasse vorbei direkt auf dem Spendenkonto des Museums gelandet.
Ein gutes Jahr dauerte es, bis sich das Kulturressort einigermaßen Klarheit verschafft und festgestellt hatte, daß es sich bei dem Indonesien-Projekt keineswegs um einen Einzelfall handelte. Zwei Rechtsgutachten waren eingeholt worden, und im September 1994 erstattete die Senatorin Strafanzeige gegen Überseemuseums-Mitarbeiter M. Fast fünf Monate später, am Donnerstag dieser Woche, beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft im Museum, in der Wohnung des Beschuldigten und beim „bbi“ umfangreiche Unterlagen und mehrere Computer.
Bisher wird nur gegen M. persönlich ermittelt. Aber auch für die Angestelltenkammer-Tochter „bbi“ könnte der Fall noch unangenehm werden. Sollte sich nämlich der Verdacht der Staatsanwaltschaft bestätigen, hier sei durch die Kooperation mit dem staatlichen Überseemuseum „Subventionsbetrug“ mit den ausschließlich für NGO's bestimmten EU-Geldern betrieben worden, müßte das „bbi“ als Vertragspartner der EG dafür den Kopf hinhalten. „Wenn uns Frau Trüpel das vorwirft, werden wir mit geeigneten Maßnahmen darauf reagieren“, drohte gestern Eberhard Fehrmann, Geschäftsführer der Angestelltenkammer. Schließlich habe er von sich aus im Frühjahr 1994 Kulturstaatsrat Schwandner mitgeteilt, daß das Projekt vorschriftsmäßig zu Ende geführt werde.
Das sollte eigentlich zum 31.12.1994 geschehen sein. So hatte es auch der Senat im September '94 in der Bürgerschaft versichert. Tatsächlich läuft der Indonesien-Projekt aber noch immer. Im Januar hatte Überseemuseums-Direktorin König erneut einen Antrag auf unbezahlten Sonderurlaub für ihren Mitarbeiter M. bei der Kultursenatorin eingereicht. Begründung: M. solle das indonesische Projekt vor Ort „abwickeln“.
„Es hat da Verzögerungen im Projektablauf gegeben“, begründet Kammer-Geschäftsführer Fehrmann, daß diese Auslandsaktivität des „bbi“ noch immer weiterläuft. Dabei hatte er bereits im Oktober 1992 und noch einmal im Herbst 1993 öffentlich versichert, daß die nach dem Bremer Kammergesetz ohnehin unzulässigen Aktivitäten des „bbi“ außerhalb des Bundeslandes längst beendet seien. „Ich bin damals von der früheren bbi-Geschäftsführung getäuscht worden“, sagt Fehrmann heute.
Der Kammer-Führung waren die illegalen Auslandsgeschäfte ihrer Tochterfirma bbi 1993 offenbar einigermaßen fremd. Das Kulturressort war zu diesem Zeitpunkt allerdings schon vorgewarnt. Schon 1988 hatte der Rechnungshof dubiose Geschäfte moniert, die der damalige Museumsdirektor Ganslmayr ebenfalls in Indonesien eingefädelt hatte. Bereits damals zeigte sich, daß Sonderausstellungen des Überseemuseums über illegale Umwege finanziert worden waren. „Das gehört zur politischen Sittengeschichte dieser Stadt“, meinte Senatorin Trüpel gestern. Disziplinarisch geht sie gegen die heutige Leitung des Überseemuseums noch nicht vor. Ase
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