Die eigene Wohnung, nicht das Treibhaus heizen

■ Niedrig-Energie-Haus wird zum Zauberwort in der Baubranche / Verbesserte Dämmung und moderne Heizanlagen sollen Energieverbrauch erheblich reduzieren

Nach Inkrafttreten der neuen Wärmeschutzverordnung (WSchVO) zum Jahresbeginn könnte bald ein Zauberwort den Jargon der Baubranche dominieren: Niedrig-Energie-Haus. Schreibt die Verordnung des Bundesbauministers doch vor, daß zukünftig alle Neubauten den technischen Standards dieser Hausform genügen müssen. Architekten, Planer und Bauherren sind aufgefordert, in den Dienst des Klimaschutzes zu treten. Vom Reißbrett bis zur Ausstattung des Eigenheims müssen verstärkt energiesparende Dämm- und Baumaterialien, effiziente Heiz- und Lüftungssysteme und eine die natürliche Sonnenenergie nutzende Raum- und Fensterverteilung eingeplant werden.

Als Niedrig-Energie-Häuser werden solche Gebäude bezeichnet, die jährlich weniger als 10 Liter Heizöl oder Kubikmeter Erdgas je Quadratmeter verbrauchen. Die Anforderungen der neuen Verordnung zielen also auf eine Begrenzung des Jahresheizwärmebedarfs. Bisher mußten die Normen für die Wärmedämmung einzelner Bauteile erfüllt sein. Die Bundesregierung verspricht sich davon eine Senkung des Energieverbrauchs um 30 Prozent und somit eine Verminderung des Kohlendioxid-Ausstoßes. Doch die neue Verordnung verlangt nur das Mindestmaß, denn „die gestellten Anforderungen sollen für jeden Geldbeutel bezahlbar sein“, heißt es im kostenlosen „Energiesparbuch für das Eigenheim“ des Bauministers.

Manfred Lehnert, Mitarbeiter eines Berliner Fertigbau-Unternehmens, das mit „schwedischer Behaglichkeit“ wirbt, vermutet, daß der Mindeststandard preisgünstig nicht zu haben ist. Billiganbieter, die bezugsfertige Häuser für 1.800 bis 2.000 Mark pro Quadratmeter offerieren, würden die neuen Normen der Wärmeschutzverordnung sicher nicht mehr erfüllen. Zahlreiche Unternehmen, so Lehnert, hätten sich aber schon Jahre vor Inkrafttreten der neuen Verordnung „warm angezogen“. Das lassen sie sich allerdings mit 2.300 bis 2.500 Mark pro Quadratmeter bezahlen. Freilich dürften sich zukünftige Eigenheimbesitzer schon bei der Planung ihres Hauses überlegen, ob es sich lohnt, bei der Anschaffung zu sparen, wenn anschließend höhere Heizkostenrechnungen ins Haus stehen.

Ob Klima-, Thermo- oder Niedrig-Energie-Haus, den Wortschöpfungen der Häuslebauer sind keine Grenzen gesetzt. Wer energiesparend bauen und wohnen will, sollte sich zunächst einen Marktüberblick verschaffen und genau nachforschen, was sich hinter den vielversprechenden Namen verbirgt. In Ballungsgebieten wie Berlin kommt der Eigenheimbau ohnehin nur am Stadtrand in Frage. Und selbst dort, wo meist Reihenhaussiedlungen die Standortwahl bestimmen, sind die Möglichkeiten, das Ideal eines Niedrig-Energie-Hauses zu verwirklichen, begrenzt.

Die neue Verordnung gilt aber auch für Um- und Ausbauten, wenn sich die Wohnfläche dadurch um mehr als zehn Quadratmeter vergrößert. Daß es überhaupt neue Bestimmungen gibt, scheint sich allerdings in der Branche für Dachausbauten noch nicht überall herumgesprochen zu haben. Der Bauleiter eines Berliner Unternehmens verfährt bei der Wärmedämmung „wie eh und je“ und beruft sich dabei „empirisch“ auf seine „langjährigen Erfahrungen“. Erhöhte Kosten kann er für den Dachausbau folglich nicht sehen.

Ein Patentrezept für energiesparendes Bauen oder Ausbauen gibt es nicht, und auch die neue Wärmeschutznorm erlaubt verschiedene Konstruktionsmöglichkeiten. Selbst wenn sinkende Energiekosten das „Niedrig-Energie-Haus“ für den Eigenheimbesitzer langfristig billiger machen sollten als herkömmliche Bauformen, so muß doch zunächst für Neu- und Umbau tiefer in die Tasche gegriffen werden.

Das meint auch Manfred Schröder, Marketing-Referent der mh- Bausparkasse. Sein Unternehmen hat deshalb bereits auf die neue Wärmeschutzverordnung reagiert und bietet Kunden, die Wohnraum umweltverträglich modernisieren wollen, zinsgünstige Darlehen aus speziell für diesen Zweck vorbehaltenen Sonderkontingenten an. „Die bekommt also nicht jeder“, so Schröder, „denn Umweltschutz steht an vorderster Stelle unserer Unternehmensphilosophie“.

Wer darüber hinaus auf öffentliche Fördermittel hofft, muß sich gedulden. Weder in die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen noch in die Berliner Außenstelle des Bundesbauministeriums sind bislang Informationen darüber aus Bonn vorgedrungen. Die Mühlen der Verwaltung mahlen noch. Henrik Mortsiefer