Anti-Berlusconi erscheint am Horizont

Der bekannte Manager Romano Prodi tritt gegen den Medien-Tycoon an / Streitbarer Links-Pool gegen die Rechts-ab-Marsch-Politik des Chefs der Volkspartei gebildet  ■ Aus Rom Werner Raith

In der italienischen Politik ist es zu einer überraschenden Wende gekommen. Nachdem die Unternehmer und Manager des Landes dem Fernsehherrscher Silvio Berlusconi anderthalb Jahre das politische Feld exklusiv überlassen hatten, ist nun plötzlich ein anderer Wirtschaftsführer bereit, in die Arena zu treten. Romano Prodi, langjähriger Präsident der größten Staatsholding IRI und Chefprivatisierer von öffentlichen Liegenschaften unter Ex-Ministerpräsident Ciampi, will von nun an den „progressiven Pool“ aus moderaten und linken Kräften anführen.

Die Entscheidung Prodis, sich für eine solche Aufgabe zur Verfügung zu halten, kam unmittelbar nach Bekanntwerden von Gesprächen des Chefs der Italienischen Volkspartei, Rocco Buttiglione, mit Berlusconi und Gianfranco Fini, dem Präsidenten der großenteils aus Neofaschisten bestehenden Nationalen Allianz. Ihr Ziel ist es, eine gemeinsame rechte Wahlplattform zu bilden.

Der linke Flügel der Volkspartei, die aus der Democrazia Cristiana hervorging und von der streitbaren Abgeordneten Rosy Bindy, dem Bürgermeister von Brescia, Mino Martinazzoli, und dem früheren Wirtschafts- und Außenminister, Nino Andreatta, angeführt wird, hatte bereits vorige Woche gegen Buttiglione mobil gemacht. Inzwischen drohen sie offen mit einer Spaltung, falls der Parteichef bei seiner Linie bleibt.

Zustimmung zur Kandidatur kommt vom Referendumspakt der ehemaligen DC-Dissidenten Mario Segni und von den Linksdemokraten, wobei sich deren Chef Massimo D'Alema allerdings wesentlich zurückhaltender äußert als etwa der Chefredakteur der Parteizeitung L'Unita, Walter Veltroni: D'Alema möchte erst testen, wie Prodi beim Wahlvolk ankommt. Eher ablehnend dagegen zeigt sich die Liga Nord, die im Dezember durch ihren Austritt aus der Berlusconi-Koalition die Regierungskrise ausgelöst hatte. Sie hält Prodi für ein Relikt der alten Nomenklatura, der er ja auch jahrelang gedient hatte. Dafür signalisiert die linksextreme Rifondazione Comunista partielle Zustimmung. Ihr hat gefallen, wie der Manager 1992 bei der großen Privatisierungskampagne Kleinanleger bevorzugt hat.

Prodi kann auf langwährende Freundschaften mit den in Italien politisch überlebenswichtigen Kirchenfürsten zählen, wie etwa dem Kardinal von Mailand, Martini, und auf hochmögende Förderer in der heimischen Wirtschaft – darunter den Vorsitzenden der Industriellenvereinigung Confindustria, Luigi Abete. Unterstützung erwartet er sich auch aus dem Ausland, wo er durch langjährige Lehrtätigkeit an Hochschulen, etwa in London und Washington, ebenso Profil gewonnen hat wie in Moskau durch diverse erfolgreich erledigte Berateraufträge. Silvio Berlusconi versucht sich angesichts der neuen Lage mit zusammengebissenen Zähnen weiter im Lächeln: Prodi sei ihm „hochwillkommen“, da habe er „wenigstens jemanden, mit dem man wirkliche Fachgespräche führen kann“. Gerade die Fachkompetenz aber hat Prodi Berlusconi schon diverse Male abgesprochen – zumindest was wirtschaftsnahes Regieren angeht.