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Bayern wollen mehr Demokratie wagen

Volksbegehren für „Bürgerentscheide in Gemeinden und Kreisen“ startet / In zwei Wochen müssen 880.000 Unterschriften gesammelt werden / Alle sind dafür – nur die CSU nicht  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) – „Wir verstehen das Volksbegehren als einen Schritt zu einer politischen Kultur, in der sich die Menschen als politisch Handelnde erfahren.“ Thomas Mayer, Vertrauensmann des Volksbegehrens „Bürgerentscheide in Gemeinden und Kreisen“, ist sich sicher, daß das am Montag in Bayern startende Volksbegehren ein Erfolg wird. Binnen zwei Wochen müssen sich zehn Prozent der Wahlberechtigten, also etwa 880.000 Menschen, in die Unterschriftenlisten eintragen. Erst dann kommt es zum Volksentscheid über die Mitsprache von Bürgern bei kommunalen Angelegenheiten. Alle Parteien machen sich für das Volksbegehren stark. Nur die CSU ist dagegen. „Kein Mächtiger gibt freiwillig gern Macht zurück“, kommentiert Mayer die sture Haltung der Regierungspartei.

Seit 1946 gibt es in Bayern den Volksentscheid auf Landesebene. Ein ähnliches Instrument auf kommunaler Ebene gibt es im Freistaat jedoch im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern bislang nicht. Diese Lücke will die Bürgeraktion „Mehr Demokratie in Bayern“ nun schließen. Ob Verkehrsberuhigung, Flughafenausbau, neue Straßenvorhaben oder Müllverbrennungsanlagen – über all dies soll ein Bürgerentscheid möglich sein. Schnell schlossen sich in den letzten Monaten Naturschutzverbände, Parteien, Bürgerinitiativen und kirchliche Gruppierungen der Initiative an. Die Vielzahl von Bestechungsskandalen in bayerischen Rathäusern und die Amigo- Affären auf Landesebene bescherten ihr einen beträchtlichen Zulauf. Die erste Etappe für die Zulassung eines Volksbegehrens war mit dem Sammeln von 32.000 Unterschriften schnell geschafft.

Unter diesem Druck gab die CSU zunächst ihren jahrelangen Widerstand gegen einen Bürgerentscheid auf. Man präsentierte zur Überraschung auch vieler eigener Parteifreunde einen eigenen Gesetzentwurf für einen Bürgerentscheid. Der erfordert allerdings die Zustimmung von 25 Prozent der Wahlberechtigten und nicht der abgegebenen Stimmen. Ein in Anbetracht einer erwartungsgemäß geringen Wahlbeteiligung hohes Quorum. Für die Initiatoren des Bürgerentscheids eine klare „Mogelpackung“. Mayer rechnet vor, daß mit diesem Limit fast alle bisherigen Volksabstimmungen im Freistaat gescheitert wären. Und nicht nur dort. Auch die Mehrzahl aller erfolgreichen Referenden in der Schweiz hätte diese Hürde nicht geschafft. Aber dort entscheidet die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Genau dies will „Mehr Demokratie in Bayern“ jetzt durchsetzen.

Nachdem die CSU ihren Gesetzentwurf wieder zurückgezogen hatte, agiert die Partei nun allein auf weiter Flur gegen das Volksbegehren und organisiert eine flächendeckende Gegenkampagne. Im Infodienst für Funktionsträger der CSU liefert die Partei dafür Argumentationshilfen. Ein Schreckensszenario für den Fall eines erfolgreichen Volksbegehrens wird darin an die Wand gemalt. Es komme dann zu einer „Gefährdung der Wirtschaftsstandorte und Arbeitsplätze“, man schaffe eine „Spielwiese für Volksverführer und Demagogen“, sogar die „politische Stabilität“ sei gefährdet. „Unser Ziel muß es sein, daß sich weniger als 10 Prozent der Wahlberechtigten in die Listen eintragen“, lautet die Parole für die nächsten beiden Wochen.

„Die CSU hat einfach Angst vor dem Volksbegehren“, resümiert Mayer und beschwert sich, daß viele CSU-dominierte Gemeinden die gesetzlichen Mindestöffnungszeiten zum Volksbegehren nicht einhalten. Sollte der „Bürgerentscheid“ jetzt die 880.000 Stimmen schaffen, kommt es zum Volksentscheid. Für diesen Fall will die CSU-Zentrale ihren Gesetzentwurf wieder aus der Schublade holen und ihn dann gegen den Entwurf von „Mehr Demokratie in Bayern“ zur Abstimmung stellen.

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