Verpißt euch!

■ Die Stadt Essen schloß aus akutem Geldmangel alle öffentlichen Klohäuschen

Zugegeben, die Lage ist dramatisch: Ein Dreihundert-Millionen- Loch klafft in Essens Stadtsäckel. Doch der letzte Spargriff ging unter die Gürtellinie: Seit 1. Januar darf nicht mehr öffentlich gepinkelt werden – die Stadt hat alle Klohäuschen geschlossen. Eine „notwendige Maßnahme“, verlautet es offiziell. In Wahrheit ist die Abortsperrung ein heimtückischer Schlag gegen Frauen, Schwule, Künstler. Nur noch ganze Männer werden ihren Druck kostenfrei los. Sie werden beherzt die Schwengel zücken, sie auf Bäume richten, Ecken benetzen, Unterführungen überschwemmen. Sie werden strullen wie Nachbars Lumpi, und die Frauen – emanzipiert in Hosen gehüllt, schauen allerorts in die Röhren. Oder werden in Alkoholismus und Armut getrieben, wenn sie sich in Kneipen und Kaufhäuser flüchten, um ganz legal pinkeln zu können. Noch härter trifft es die Schwulen: Ein klarer Fall von Gauweilerei. Aus den „Klappen“ werden sie vertrieben, ebenso wie die Künstler. Denn wo anders als im öffentlichen Erleichterungsraum wurde Graffiti geboren? Wo wurde Killroy gezeugt? Was wäre der Sprühprofessor Naegeli heute? Wer ahnt, wie viele Dichterkarrieren mit Schüttelreimen im Kiosk- Klo begannen? Die Stadtväter zumindest nicht. Sorge macht ihnen nur das Stadtbild. Was, wenn an jedem Fahrradständer, gegen Autoreifen... Was, wenn verkniffene Gesichter und X-beinige Jammergestalten die Einkaufszonen verunstalten? Eine saubere Lösung muß her: Die Kathederisierung der Gesellschaft. Vor dem Weggehen Schlauch legen, schwups, der Dreck gleitet in den Beutel. Billiger: Bürger werden mit Beutel und Schaufel ausgerüstet, wie die Hundebesitzer. Und die vielen blauen, nun überflüssigen Klosteine? Werden als Bonbons in die Dritte Welt verkauft. miß