: Razzia bei Drogerie-Zar Schlecker
■ Schlecker soll Beschäftigten tarifliche Bezahlung vorgetäuscht haben / Erneute Durchsuchungen durch die Staatsanwaltschaft / Ermittlungen werden ausgeweitet
Ehingen/Stuttgart – Der Drogerie-Discounter Anton Schlecker aus Ehingen ist 1994 mit einem Umsatz von über fünf Milliarden Mark in die „Top 10“ des deutschen Lebensmittelhandels geklettert. Doch so rapide der wirtschaftliche Aufstieg, so schlecht ist mittlerweile sein Ruf. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bestätigte gestern, daß am vergangenen Mittwoch erneut die Schlecker-Zentrale in Ehingen, sowie elf weitere Büros durchsucht wurden. Es war innerhalb weniger Wochen schon die zweite Razzia. Ermittelt wird wegen des Verdachts auf Scheinarbeitsverhältnisse und jetzt auch wegen des Verdachts auf Täuschung von Beschäftigten. Schlecker soll sogenannte „geringfügig Beschäftigte“ gleich mehrfach angestellt und MitarbeiterInnen vorgegaukelt haben, sie würden Tariflohn erhalten, tatsächlich aber deutlich unter den für allgemeinverbindlich erklärten Richtwerten entlohnt haben. Bislang erstrecken sich die Ermittlungen auf Baden- Württemberg. Es sei aber nicht ausgeschlossen, so die Staatsanwaltschaft, daß sie nach Sichtung des Beweismaterials auf Deutschland ausgedehnt würden.
Schlecker spricht von unhaltbaren Vorwürfen, die jeder Grundlage entbehren würden. „Bei Schlecker gibt es keine Arbeitsverhältnisse, die nicht den geltenden Tarifverträgen entsprechen“, so die Selbsteinschätzung.
Der Drogerie-Zar hat nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern auch die Gewerkschaft HBV am Hals. In Mannheim, Ulm und jetzt auch in Nürnberg hat er nämlich mit allen Mitteln die laufenden Betriebsratswahlen verhindert. Der Nürnberger HBV-Sekretär Manfred Wages teilte dieser Tage mit, daß Schlecker beim Arbeitsgericht Nürnberg ein Beschlußverfahren gegen den gewählten Wahlvorstand eingeleitet habe. Die Gewerkschaft will trotzdem nicht klein beigeben. Zahlreiche Prominente – Pfarrer, Abgeordnete und Oberbürgermeister – haben inzwischen eine Patenschaft für die Wahlvorstände übernommen, um zu signalisieren, daß sie das Bemühen unterstützen, bei Schlecker endlich rechtmäßige Zustände einzuführen. Die Drogeriekette mit ihren rund 5.000 Filialen, die noch einmal um bis zu 3.000 Niederlassungen aufgestockt werden soll, steht inzwischen unter starkem Wettbewerbsdruck. Schlecker- Konkurrent Götz Werner (dm- Drogerie, Karlsruhe), spöttelte jüngst im manager magazin, der Ehinger Drogerie-Zar habe das „unproduktivste Unternehmen der Branche“. Tatsächlich hat Schlecker weit niedrigere Filialumsätze (Durchschnitt pro Filiale: 1 Million Mark, Durchschnitt der Branche: 2,4 Millionen) als die Konkurrenz. Klaus Wittmann
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