Durchs Leben gezappt

■ „Spiel mir das Lied vom Leben“ setzt das Junge Theater mit einer Überdosis Jugend in Flammen

Ein leicht entzündlicher Cocktail wird da angemixt. Ob dabei allerdings der Liebe oder den Drogen die stärkere Wirkung zukommt, scheinen die beiden Gefährdeten selbst nicht recht zu wissen. Und es kommt auch nicht wirklich drauf an. Denn Alex und Monkey toben mit einer derartigen Wahnsinnsgeschwindigkeit durch's Leben, daß eh keine Zeit zur Besinnung bleibt. „Spiel mir das Lied vom Leben“, die neue Eigenproduktion des Jungen Theaters, nimmt in der Inszenierung von Nomena Struß eine atemberaubende Verfolgungsjagd durch die Untiefen der allnächtlichen Räusche, besonders aber der Abstürze auf.

Alex und Monkey, die Protagonisten in „Spiel mir das Lied vom Leben“, liefern sich gleich von Anbeginn an einen Showdown nach Westernmanier, machen sich fertig nach allen Regeln der Kunst. Wirklichkeit wird hier nur noch in Form von Fragmenten erlebt; entsprechend peitscht Ulrike Dietmanns Text die beiden Leidtragenden mit Wortfetzen durchs Stück: „Erstes Treffen“, „Warum hast du mich nicht angerufen?“, „Ich bin clean“, „Hast du mein Feuerzeug gesehen?“, „Wovon lebst du?“, „Von schlechter Luft und Illusionen“, „Ich liebe dich“, „Das hat keinen Zweck mehr“, „Wir müssen mit diesem Zeug aufhören“ – aber dazu ist es eh zu spät.

Zornig und präzise beobachtet, pressen die knappen Dialoge die Geschichte von Zweien zusammen, die sich im Großstadtdschungel an allem stoßen: Sinn- und Jobsuche, Erwachsenwerden und Drogen, Sex und Zärtlichkeit, Wut und Agression.

Ulrike Dietmann, die an der Berliner HdK „Szenisches Schreiben“ studiert, hat einen dichten und stilistisch treffsicheren Text in Anschlag gebracht. Mit einem harten, unruhigen Beat fängt „Spiel mir das Lied vom Leben“ ein Grundgefühl ein, das aus Musik, Drogen und einer Überdosis jugendlichem Wahnsinn besteht. Bei Lichte besehen ein Thema, das sich der Behandlung durch Sprache und Argumentation eher entzieht als aufdrängt. Umso beeindruckender der Effekt des Stücks: Wie mit der Fernbedienung durchs Leben gezappt, scheppern die jungendlichen Verlegenheitsgesten aneinander, tönen hohl beim Aufschlag, lassen im Nachhall immer die sprachliche Hilflosigkeit mitanklingen. Sprachfloskeln, Klischees, die so abgegriffen und dünn sind, daß man sich kaum noch dahinter verstecken kann. Und verstehen sich die beiden einmal, stellt sich gar so etwas wie Harmonie gar Romantik ein – dann ist es ihnen schon wieder so peinlich, daß das Ganze mit einer verzweifelt agressiven Bewegung vernichtet werden muß.

Die Inszenierung von Nomena Struß hält sich an die vorgegebene Richtung. Die beiden jungen Schauspieler, Judica Albrecht und Roland Holz greifen das Tempo auf und setzen ihre Körper dem harten Rhythmus des Stücks aus. Sie steigern sich in einen atemberaubenden Taumel aus Besessenheit und Coolness hinein, der so stark ist, daß man zeitweise befürchtet, sie hätten zu Spielen vergessen und kämen nicht mehr runter von dem Trip. Ständig gehetzt aber scheinbar mühlelos verwandeln sie sich in Alex und Monkey, angezogen und abgestoßen von so starken Kräften, daß man fast um sie fürchten muß. Passend zum stakkatohaften Text die Körpersprache: hochgezogene Schultern, schlaksige Bewegungen und verzweifelt inniges Aufeinanderzurennen. Die Fäuste tief in ihre Jackentaschen gebohrt, stürzen die beiden entweder voneinander weg, oder sie stehen sich zu nahe gegenüber.

So nimmt der Handlungsverlauf zum Ende hin auch kaum noch Wunder. Zu Hause, das ist die schwarze Lederjacke; Karriereplanung, das ist der Scheck vom Arbeitsamt. Am Schluß wird hier kein Bausparvertrag unterschrieben sondern der Krankenwagen gerufen. Zurück bleibt ein leuchtend roter Fleck Ketchup und ein benommenes Publikum, das einen Moment braucht, um den Nachhall abzuschütteln: von zwei Verzweifelten, die high sind vom Leben.

Susanne Raubold

Nächste Aufführungen: Heute sowie am 7. und 8. Februar, jeweils um 20.30 Uhr, Junges Theater (Friesenstr. 19)