■ Will nur Skandinavien Solidarität im Fall Rushdie zeigen?
: Die Fatwa wirkt

Wie sieht es mit der internationalen Solidarität bezüglich der Fatwa gegen Salman Rushdie eigentlich aus? Zwischen Norwegen und dem Iran schaukelt sich seit Wochen ein diplomatischer Konflikt hoch, als dessen vorläufigen Höhepunkt Teheran nun Norwegen in die Reihe der Feinde des Iran einsortierte. In Skandinavien hat sich zumindest der Ansatz einer koordinierten Reaktion gezeigt – ansonsten herrscht in den europäischen Hauptstädten Stille. Dabei ist nichts weniger passiert, als daß der Iran bald sechs Jahre nach dem Todesurteil gegen Salman Rushdie jetzt die Fatwa gegen Rushdie und alle, die sein Buch verbreiten, nicht nur erneuert, sondern noch verschärft hat.

Konnte man nach dem Botschaftsbrief des iranischen Norwegen-Botschafters bislang zumindest davon ausgehen, daß keine ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger von der Fatwa gegen Rushdie erfaßt sind – wenig genug, aber immerhin verstanden als der Beginn einer möglichen Aufhebung der Fatwa –, ist die Linie der iranischen Regierung jetzt wieder knallhart.

Wie man sich das in Teheran gedacht hat, ist nicht so leicht nachzuvollziehen. Die, die in dem anhaltenden Machtkampf gerade das Sagen zu haben scheinen, hofften aber sicherlich, daß dieses diplomatische Scharmützel zwischen dem Iran und Norwegen weiter kein Aufsehen erregen würde. Mit Oslos schroffer Reaktion hatte man offenbar nicht gerechnet. Was das Schweigen außerhalb Norwegens und Skandinaviens angeht, ist die Rechnung Teherans bislang völlig aufgegangen. Kein Echo, kein weltweiter Aufschrei der Empörung. Dabei ist es gerade kein Scheinkampf zwischen zwei Ländern um diplomatische Rituale. Es muß als Konflikt verstanden werden zwischen dem Regime im Iran, das diese Fatwa verteidigt und erneuert, und allen Regierungen, die die Menschenrechte, die Meinungsfreiheit und das Völkerrecht nicht nur

in Sonntagsreden hochhalten wollen. Denn von

dem, was sich zwischen Teheran und Oslo abge-

spielt hat und abspielt, müssen sich alle betroffen fühlen.

Bleibt die Reaktion der Umwelt, so wie bislang, vollständig aus, wird nicht nur die Anmaßung der iranischen Mullahs hingenommen, der Welt vorschreiben zu wollen, was sie lesen und denken darf, sondern werden auch andere Regime ermuntert, dem iranischen Beispiel zu folgen. Klarsprache ist gefordert und nicht die Hinnahme erneuerter globaler Bannbullen durch Schweigen. Reinhard Wolff, Stockholm