■ Mit Vietnams Wirtschaft auf du und du
: Boom mit „Doi Moi“

Berlin/Bangkok (taz/IPS) – Vietnam ist längst in die freie Marktwirtschaft eingestiegen. Das Wirtschaftswachstum liegt seit Anfang der 90er Jahre permanent über 8 Prozent; Außenhandel und ausländische Investitionen boomen. Gleichzeitig gelang es der Regierung in Hanoi, die Inflation von über 300 auf 14 Prozent zu drücken.

„Doi Moi“, wie die wirtschaftliche Umgestaltung auf vietnamesisch heißt, lockt viele ausländische Investoren an – inzwischen auch deutsche. Steilmann oder Triumph lassen in Vietnam Textilien herstellen, und auch Konzerne wie Siemens und Daimler-Benz sind vertreten. Erst vor sechs Jahren ließ die Regierung in Hanoi Joint-ventures mit ausländischen Unternehmen zu, vor einem Jahr hob der einstige Kriegsgegner USA das Handelsembargo auf. Im letzten Jahr flossen fast 10 Milliarden Mark nach Vietnam.

„Die Wirtschaft kommt zuerst“, so der Wahlspruch von Ministerpräsident Vo Van Kiet. Handelsschranken fielen, Preise wurden freigegeben, private Unternehmen zugelassen und Subventionen größtenteils abgeschafft. Die Arbeiter, so könnte man hinzufügen, kommen zuletzt: denn besonders mit Niedrigstlöhnen lassen sich Investoren anlocken. Jetzt sieht sich die Regierung mit protestierenden Belegschaften konfrontiert, die angemessene Mindestlöhne und bessere Arbeitsbedingungen fordern. In den letzten zwei Jahren, so schätzen sogar offizielle Stellen, fanden in Ho-Chi-Minh-Stadt mehr als 50 Protestaktionen statt.

Ungeachtet der offiziell weiterhin bestehenden sozialistischen Ideologie scheut die vietnamesische Regierung davor zurück, sich für die Belange der Arbeiter einzusetzen. „Die Regierung will sich neutral verhalten und keine Position im Disput zwischen Arbeitgebern und -nehmern beziehen“, sagt Vizefinanzminister Pham Van Trong. Vor einem halben Jahr verabschiedete sie dennoch ein Gesetz, das gewerkschaftliche Organisation und unter bestimmten Bedingungen auch Streiks zuläßt. Der Mindestlohn wurde auf 35 Dollar festgesetzt – für Arbeiter in ausländischen Unternehmen. Vietnamesische Arbeitgeber brauchen nur 11 Dollar zu zahlen. lieb