Farbe Lila gegen CDU

■ SPD-Spitzenkandidatin Stahmer nach der Urwahl: Mehr Frauen in den Senat / Momper als Senator im Gespräch

Ingrid Stahmer hat einen Tag nach ihrer Nominierung als Spitzenkandidatin der SPD den Wahlkampf eingeläutet. Sie äußerte gestern erste Vorstellungen zur Zusammensetzung eines Senats unter ihrer Führung: „Ich kann mir eine Verteilung halb Männer, halb Frauen vorstellen.“ Sie brachte ihren unterlegenen Gegenkandidaten Walter Momper als Senator für Kultur oder Bundesangelegenheiten ins Gespräch.

Zur PDS sagte Stahmer: „Eine Tolerierung durch die PDS geht nicht, unter keinem Wahlergebnis.“ In Berlin lebten viele Menschen, die unter dem DDR-Regime gelitten und erkannt hätten, „daß die PDS sich keineswegs ausreichend gewandelt hat“. Stahmer sprach sich aber gegen eine Überwachung der PDS mit nachrichtendienstlichen Mitteln aus. Eine gemeinsame Regierung mit Bündnis90/Die Grünen wollte sie nicht ausschließen. Sie kündigte an, mit dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) über die nach ihrer Nominierung „veränderten Rollen“ beider Politiker sprechen zu wollen.

Dieses Gespräch hat Diepgen offenbar bitter nötig. Er appellierte gestern an Stahmer, mit dem Wahlkampf erst im Herbst zu beginnen, denn bis dahin müsse sich die Große Koalition im Interesse der Berliner auf Sachaufgaben konzentrieren. Während Diepgen seiner Konkurrentin gestern Anemonen, Tulpen und Rosen zukommen ließ und damit sein Versprechen unterstrich, einen sachorientierten und fairen Wahlkampf führen zu wollen, konterkarierte CDU-Generalsekretär Dieter Ernst das ehrenvolle Anliegen seines Parteivorsitzenden. Er sprach Stahmer die Regierungsfähigkeit ab: Sie sei nett, aber einen Führungsanspruch könne man daraus nicht ableiten.

Stahmer ist am Sonntag mit 56,2 Prozent der Stimmen der SPD- Mitglieder zur Spitzenkandidatin gewählt worden. 55 Prozent der 24.000 Genossen haben sich an der Urwahl beteiligt. Stahmer gewann dabei in allen 12 Westbezirken, Walter Momper konnte sich eine Mehrheit nur in sieben von elf Ostbezirken sichern. Wenig spektakulär ist, daß Stahmer in ihrem Heimatbezirk Charlottenburg mit 65,3 Prozent der Stimmen am besten abschnitt. Überraschend sind dagegen die Ergebnisse in Mompers Wahlkreis Neukölln und in Reinickendorf. Stahmer erhielt hier sieben und zwölf Prozent mehr Stimmem als Momper. Friedrichshain (59,2 Prozent), Weißensee (58,5 Prozent) und Hohenschönhausen (57,6 Prozent) standen wiederum dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Momper am wohlwollendsten gegenüber.

Bei den Ergebnissen der Urwahl für die Kandidaten der 23 Bezirksbürgermeister gab es nur eine Überraschung. In Marzahn hat Bürgermeister Andreas Röhl die absolute Mehrheit deutlich verfehlt und muß nun im Herbst auf jeden Fall seinen Stuhl räumen. Spitzenkandidat ist Wolfgang Unger geworden, der seit 1990 als Bildungsstadtrat amtiert. Die anderen 15 SPD-Bürgermeister sind wiedergewählt worden. Nur in Lichtenberg und Wilmersdorf – hier stellen derzeit Bündnisgrüne und die CDU den Bürgermeister – konnte keiner der mehreren SPD- Kandidaten die absolute Mehrheit erreichen, so daß es hier am 5. März zu einer Stichwahl kommt. Dirk Wildt

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