Vorwürfe ignoriert die Bundes-SPD beharrlich

■ Umstrittener Bundestagsabgeordneter Kurt Neumann sitzt im Petitionsausschuß / Bonner SPD-Fraktion reagiert nicht

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Untreue und Steuervergehen, der Bundestag hob Ende Januar seine Immunität als Abgeordneter auf, und demnächst muß er sich vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten. Trotz der schweren Vorwürfe aber will die SPD Kurt Neumann nicht aus dem Petitionsausschuß des Bundestages zurückziehen.

Dorthin hatte die Bonner SPD- Fraktion den Rechtsanwalt und siegreichen Direktkandidaten aus Kreuzberg/Schöneberg kurz nach der Bundestagswahl am 16. Oktober entsandt. Angeblich, wie der Bonner SPD-Fraktionsgeschäftsführer Wolf-Michael Catenhusen versichert, zu einem Zeitpunkt, als „die Vorwürfe gegen ihn noch nicht bekannt waren“. Das Aufgabengebiet des 32köpfigen Ausschusses: Beschwerden und Anliegen von Bürgern zu prüfen und an das Plenum des Bundestages weiterzuleiten. Für viele Menschen ist der Ausschuß die letzte Hoffnung, Hilfe oder Gerechtigkeit zu finden. Die Mitglieder können sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen. Im vergangenen Jahr wurden 19.526 Eingaben verzeichnet. 156 wurden zur Berücksichtigung und weitere 479 zur Erwägung an die Bundesregierung übergeben.

Vom Rhein wird die für die Partei höchst peinliche Affäre an die Spree abgeschoben. Es sei Sache des Berliner Landesverbandes, den Fall Neumann zu klären, meint SPD-Fraktionsgeschäftsführer Catenhusen gegenüber der taz: „Die Bonner werden keine Vorreiterrolle spielen.“ Den Rückzug des umstrittenen Abgeordneten aus dem Petitionsausschuß steht in Bonn nicht auf der Tagesordnung. Auch der Vorsitzende des Bonner Immunitätsausschusses, Dieter Wiefelspütz, sieht zunächst die Berliner SPD am Zuge. „Der Landesverband hat Fragen an Herrn Neumann, die bis heute nicht beantwortet wurden. Dort muß zunächst klargestellt werden, ob er weiterhin ihr Vertrauen genießt oder nicht.“ Erst im Anschluß daran werde die Bonner Fraktion „zu prüfen haben, ob es angesichts der Vorwürfe sachgerecht war, Herrn Neumann in ein so wichtiges Gremium wie den Petitionsausschuß zu entsenden“.

Seit Anfang November wurde Neumann nicht mehr in Bonn gesehen, sondern tauchte für Wochen ab. Gerüchten zufolge wolle er sich durch sein Mandat finanziell sanieren. Bis zum heutigen Tage zeigte der Parteilinke keinerlei Bereitschaft, der Aufforderung seines Landesverbandes zur Mandatsniederlegung zu folgen. Der SPD-Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung ließ offen, ob gegen Neumann möglicherweise doch noch ein Parteiausschlußverfahren eingeleitet wird. Severin Weiland