„Politisches Ränkespiel“ spaltet Wessis und Ossis

■ Brandenburgs SPD will, daß „West-Aufbauhelfer“ nur noch Ostlohn erhalten

Berlin (taz) – Michael Donnermeyer, Pressesprecher der SPD- Fraktion im brandenburgischen Landtag, hat es nicht leicht. Der Mann aus dem Westen muß einen Beschluß vertreten, den ihm seine Parteigenossen aus dem Osten eingebrockt haben. Einen Beschluß, den er – inoffiziell gesagt – „ziemlich blödsinnig“ und „populistisch“ findet. Es geht um eine komplizierte Beziehungskiste. Und wie üblich in einer kriselnden Ehe, entzündet sich der Streit am Geld. Mit 21 zu 19 Stimmen hat die brandenburgische SPD-Fraktion jetzt beschlossen, daß die sogenannten Aufbauhelfer aus dem Westen künftig auf Ostgehalt gesetzt werden. Eine Herabstufung um 18 Prozent für die West-Angestellten in den Verwaltungen, Schulen und Universitäten. Was für die „Wessis“ monatliche Einbußen von 1.000 Mark brutto bedeutet, ist für die „Ossis“ nichts als ausgleichende Gerechtigkeit. Die einen fühlen sich „verschaukelt“, die anderen empfinden heimliche Genugtuung.

Hintergrund des Konflikts ist ein über Jahre erfolgreich verdrängter Fakt: Seit Januar 1995 sind die Bundeszuschüsse für die zahllosen Aufbauhelfer aus dem Westen endgültig ausgelaufen. Gestrichen ist nicht nur die sogenannte Buschzulage, die die Wessis recht üppig für Trennung von Heim und Herd entschädigte. Vorbei sind auch die Bonner Zuschüsse, die vier Jahre lang die Gehälter vom niedrigen Osttarif auf das 100prozentige Westniveau hievten. Mit dem Ende der Subventionen ist in den neuen Bundesländern ein heilloser Tarif- Wirrwarr unter den Wessis entstanden. West-Beamte bekommen, weil sie rechtlichen Anspruch auf Besitzstandswahrung haben, weiterhin ihr altes Westsalär von 100 Prozent. Die Angestellten in den Städten und Gemeinden werden auf den Osttarif von 82 Prozent heruntergestuft, denn angesichts der leeren Kassen können und wollen die Kommunen die Gehaltsdifferenz nicht zahlen. Für die Landesangestellten hingegen werden die Länderetats die Differenz ausgleichen, so jedenfalls haben es die Neu-Bundesländer beschlossen, und so hat es auch der brandenburgische Finanzminister Kühbacher (SPD) im November per Runderlaß verfügt.

Doch um die Weihnachtszeit stieß der brandenburgischen SPD die Sache auf. Ende Januar dann der Beschluß: Zumindest die 380 Wessis, die vor ihrer Übersiedlung nach Brandenburg noch nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt waren, sollten gehaltsmäßig zu Ossis werden.

Seitdem, so SPD-Fraktionssprecher Donnermeyer, „schütten uns die Betroffenen mit Protestbriefen zu“. „Viele von uns sind aus anderen Teilen Deutschlands gekommen und haben dadurch erheblichen Aufwand durch Umzug, Wohnungssuche und überhöhte Mieten in Kauf genommen. Wir haben diese Belastungen – trotz anderer Angebote – gern auf uns genommen und sie auch als Herausforderung gesehen, fühlen uns jetzt aber getäuscht“, schreiben da über 30 wissenschaftliche Mitarbeiter der neugegründeten Universität Frankfurt (Oder). „Wir sind in ein politisches Ränkespiel hineingeraten, das die Spaltung zwischen Ost und West erst wieder aufreißt“, meint Kathrin Blöcker, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Frankfurter Uni.

Bei dem Beschluß, konstatiert auch Wessi-Sozialdemokrat Donnermeyer, gehe es weniger ums Geld – „das ist eher Ausdruck einer Änderung der Windrichtung gegen die Wessis“. Eine Brise wehte schon immer gegen die besserverdienenden und „besserwissenden“ Wessis. Jetzt nimmt die Windstärke offenbar zu.

Nach vier Jahren Lernprozeß sehen viele Ossis nicht mehr ein, daß sie schlechter bezahlt werden als ihre Kollegen aus dem Westen, die inzwischen nicht mehr so viel mehr können, als sie selber. Um Stellen, die vorher mangels entsprechender Qualifikation nicht von Ostdeutschen besetzt werden konnten, konkurrieren inzwischen West und Ost.

Heute will sich die sozialdemokratische brandenburgische Landesregierung überlegen, wie sie mit dem Konflikt umgeht, den ihr die eigene Fraktion beschert hat. Sollte sie die längst beschlossene Gehaltsanhebung der Wessis im Landtag zur Abstimmung stellen, könnte sie eine peinliche Schlappe erleiden. Denn auf den Ost-West-Zug, den die SPD-Fraktion angeschoben hat, sind prompt die selbsternannten Rächer der entrechteten Ossis aufgesprungen: Solange es keine Gleichbehandlung zwischen Ost und West gibt, posaunt die PDS-Fraktion, lehne man einen Gehaltsausgleich aus dem Landeshaushalt ab – „mit aller Entschiedenheit“, versteht sich. Vera Gaserow