Bombenfrei erst in 20 Jahren

■ 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kostet die Suche nach Bomben und Munition im Stadtgebiet jährlich immer noch achtzehn Millionen Mark

Fünfzig Jahre nach Kriegsende liegen Tonnen von Kriegsmunition nach wie vor unentdeckt im Erdreich. Zuletzt kamen am 15. September 1994 in der Pettenkoferstraße in Friedrichshain bei der Explosion einer amerikanischen Fliegerbombe drei Bauarbeiter ums Leben, und weitere siebzehn wurden zum Teil schwer verletzt. Der Bauherr hatte bei der Senatsbauverwaltung keinen Antrag auf Munitionssuche gestellt. Die Bauordnung schreibt aber vor, daß vor Baubeginn der Boden von explosiven und chemischen Altlasten befreit werden muß. Schließlich waren nach Schätzung von Experten während des Krieges allein rund 60.000 Tonnen Bomben und Luftminen aus alliierten Flugzeugen über Berlin abgeworfen worden. „Jeder, der in die Erde geht, muß prüfen, wie sicher der Boden ist“, mahnt Petra Reetz von der Bauverwaltung des Senats. „Die Leute müssen immer wieder aufgerüttelt werden, die Gefahr ist noch nicht vorbei.“ Doch nicht nur Bomben, auch schon im Boden rostende Gewehr- und Artilleriegranaten können dem Finder, beispielsweise spielenden Kindern, gefährlich werden.

Der Senat arbeitet seit Jahrzehnten an der systematischen Suche nach Blindgängern und Kriegsmunition. Mehr als eine Million Sprengkörper sind bereits aus dem Boden der im Krieg mit Bombenteppichen belegten Hauptstadt geborgen und entschärft worden. Allein im vergangenen Jahr waren es noch 17 Bomben mit einem Gewicht von jeweils mindestens 50 Kilogramm. Rund 3.000 solcher Blindgänger werden noch im Erdreich vermutet.

Für ein flächendeckendes Munitionssuchsprogramm hat der Senat schon dreistellige Millionenbeträge aufgewendet. Allein im vergangenen Jahr waren es zwölf Millionen Mark aus Landesmitteln und sechs Millionen Mark aus dem Bundeshaushalt. Dennoch gibt es erst wenige Areale, die nach menschlichem Ermessen als munitionsfrei gelten können. Dazu gehört seit Herbst 1994 auch der Tiergarten. Inzwischen konzentriert sich die Suche auf den Treptower Park und die Wuhlheide.

Hinweise auf möglicherweise verborgene Blindgänger liefern vor allem Archive, Augenzeugenberichte und Luftaufnahmen. So muß vor allem auch in der Nähe von zu Kriegszeiten wichtigen Verkehrsknotenpunkten und Industriebetrieben mit Bombenfunden gerechnet werden.

Bis das Stadtgebiet als geräumt gelten kann, werden nach Schätzungen der Senatsbauverwaltung noch einmal bestimmt 20 Jahre vergehen. Eine endgültige und absolute Sicherheit wird es aber auch dann noch nicht geben können. Wolf-Rüdiger Neurath/ADN