Sanssouci
: Vorschlag

■ Buchstabengetreu: "Iphigenie" vom Ensemble Penthesilea

Der Autor höchstselbst bezeichnete sein sprödes Werk als „Schmerzenskind“. Mehrmals überarbeitete Goethe seine Auseinandersetzung mit dem klassischen Humanitätsideal. Die „Iphigenie“ ist aber nicht nur berühmt-berüchtigtes philosophisches Pamphlet, sondern auch ein Theaterstück – ein höchst problematisches. An äußerer Handlung passiert auf der Bühne fast gar nichts, die Konflikte laufen ausschließlich in den Figuren ab. Da liegt es nahe, Iphigenies Satz „Ich habe nichts als Worte“ zum Inszenierungsmotto zu machen.

Das Ensemble Penthesilea tut dies mittels einer Werkstattsituation. Ihre Textbücher vor sich, sitzen die Schauspieler um einen Holztisch herum. Wenn es die Szene erfordert, stehen sie auf und gehen ein Stück weiter nach rechts. Dort ist der „Hain vor Dianens Tempel“: ein achteckiger Quader, mit einem Strick verschnürt, sowie das Bild eines Körpers im Hintergrund, vermutlich das der Göttin. Karg wie die Bühne auch die Aktion. Meist stehen die Schauspieler halb frontal. Wenige Gesten illustrieren den Wort für Wort gesprochenen Text. Obwohl die Inszenierung Goethes humanistischer Vision nur begrenzt vertraut – Iphigenies Endmonolog formen die Lippen der Schauspielerin nur stumm, und Thoas kathartischer Schlußsatz fehlt ganz –, ist sie auf Buchstabentreue angelegt. Die Figuren sollen ausschließlich durch das erklärt werden, was sie sagen. Die unter den Worten liegende Psychologie wird nur begrenzt mitgeliefert. König Thoas erotisches Interesse an Iphigenie bleibt ebenso ausgespart wie Orests mentale Konvulsionen. Stimmliches Pathos allein erklärt noch nichts, Adelheid Arndt springt als Iphigenie zwischen aufbegehrender Frau und verstörtem Kind hin und her. Ihre selbstbewußte Emanzipation kommt eher unvermittelt. Den Weg zum weißen Leinensakko, das sie am Schluß trägt, legitimiert sie schauspielerisch nur ansatzweise.

Sich auf das Wort verlassen heißt auch, es zu sezieren. Das verweigert die Truppe. Der gebundenen Sprache wird nichts von ihrer Überhöhung genommen. Die Schauspieler versuchen sie sich anzueigenen, ohne sie ins Alltägliche zu übersetzen. Ohne Gedröhn und hohle Gesten funktioniert das nicht immer. Obendrein wird der verschlungene Text dadurch teilweise sehr schwer verständlich. So ist die Aufführung das, was sie eigentlich nicht sein will: ein Hörvergnügen für Philologen. Gerd Hartmann

Heute 20 Uhr, Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg