Polizeipannen ermöglichten Dagoberts Flucht

■ Verhinderter Einsatz eines Polizeiköters, abgesoffener Wagen und feuchtes Laub – das Pech der Polizei mit Dagobert / Arno Funke bricht sein tagelanges Schweigen

Der mutmaßliche Kaufhauserpresser Arno Funke wollte nie Menschenleben gefährden. So war es ihm beim gestrigen siebten Verhandlungstag vor dem Landgericht auch etwas peinlich, als ihn die Frau ansprach, die bei der Explosion in der Hannoveraner Karstadt-Filiale im September 1992 ein Knalltrauma erlitten hatte. Nachdem sie sich vergewissert hatte, daß der Angeklagte der Verursacher ihres mehrtägigen Ohrensausens war – „Ist das der junge Mann, der das begangen hat?“ –, sagte sie zu ihm: „Das finde ich nicht in Ordnung.“ Die 53jährige Verkäuferin ist überzeugt, daß sie „unwahrscheinlich großes Glück“ gehabt habe. In einem Schreiben an Karstadt hatte Funke nicht nur sein Bedauern über das „Knalltrauma“ geäußert, sondern auch mitgeteilt, daß er es nachempfinden könne. Er habe einmal ein solches „Knalltrauma“ bei einer Silvesterknallerei erlitten.

Ansonsten konnte der Angeklagte gestern wieder einigen Polizeipannen lauschen, die ihm immer wieder die Flucht erleichterten. Bei dem Übergabeversuch in Reinbek bei Hamburg im August 1992 hatte die Polizei ein präpariertes Paket mit nur vier echten Tausendmarkscheinen auf Funkes Funksignal hin vom Zug abgesprengt. Als er sich damit verdünnisieren wollte, wollte die Polizei einen Hund auf ihn hetzen. Doch eine einfahrende S-Bahn vereitelte den tierischen Plan. Und da sich der Polizeiköter auf den „Erstbesten“ gestürzt hätte, so der Führer der Zugriffsgruppe, mußte der Hund an der Leine bleiben, und Herrchen hatte das Nachsehen.

Auch bei dem Geldübergabeversuch Ende Oktober 1992 am Savignyplatz kam Funke der Zufall zu Hilfe. Fast wäre er den zwei Polizisten, die die Gleise „verposteten“, ins Netz gegangen. Wäre nicht ein Beamter, der Dagobert schon am Schlawittchen hatte, auf feuchtem Laub ausgerutscht. Später war dieses Malheur als das mit der Hundekacke in die Mediengeschichte eingegangen. „Worüber alle Welt gelacht hat“, sagte gestern der Polizist, der das wenig komisch fand. Als dann noch der Polizeiwagen absoff, konnten sie Dagobert nur noch hinterherschauen.

Als der Fahrer des Wagens die Festnahme Dagoberts im April 1994 schilderte, brach Funke sein Schweigen. Tagelang hatte er keinen Gebrauch von seinem Rederecht gemacht. Er habe nicht, wie der Beamte sagte, die linke Hand in der Jacke gehabt. Vielmehr sei er mit erhobenen Händen auf ihn zugelaufen. „Sicher waren Sie auch etwas aufgeregt“, sagte der blasse Funke, auf dessen Bitte hin die Verhandlung nach der Mittagspause ausgesetzt wurde. Der Prozeß wird am Freitag fortgesetzt. Barbara Bollwahn