■ Touristisches „Muß“: Der Kruger National Park
: Der Mensch im Gehege

Johannesburg (taz) – Löwen und Nashörner bitte draußen bleiben, der Kruger National Park, eines der berühmtesten Wildreservate der Welt und für über eine halbe Million Besucher pro Jahr touristisches „Muß“ einer jeden Südafrika-Reise, ist für die Menschen da. Per Pauschalarrangement werden sie eingeflogen, die Abertausende von verhinderten Großwildjägern, vom Johannesburger Jan Smuts Airport nonstop ins Königreich der Tiere.

Um vier in der Früh schnarren in den Rondavels, den traditionellen Rundhütten der Schwarzen des südlichen Afrikas, die ersten Reisewecker, die Airconditioning wird aktiviert, Lichter werden angeknipst – im Busch kommt der Strom aus der Steckdose. Eine gute Stunde später, Frühstück gab's im effizienten SB-Restaurant, fahren die Landrover vor, Farbe Landschaft. Khakihemden und -hosen sind Pflicht, an so manchem Schlapphut baumelt noch das Preisschild. Wer sein Fernrohr vergessen hat, kann das – schnell, schnell, die Sonne geht gleich auf – im Souvenirshop korrigieren; im Olifants-, Crocodile-Bridge- und Lower-Sabie-Restcamp werden Mastercard-, Visa- und American- Express-Besitzer hofiert. Nun kann's losgehen!

Geduscht und gefönt für das Abenteuer Wildnis, klettern Frauen und Männer unter großem Palaver in die Geländewagen. Die sind mit Benzinkanistern, Jagdgewehren und zahllosen Reservereifen ausgerüstet, als ginge es auf eine mehrwöchige Safari durch den schwarzen Kontinent. Kurz nach fünf verlassen die Wagen den Schutz des Geheges, im Gefolge jede Menge Pkws. In Kolonnen begeben sich täglich Tausende von motorisierten Tierfreaks auf Safari, Aussteigen oder Füttern verboten. Hinterm Zaun von insgesamt dreizehn Rastlagern warten 1.863 Kilometer Straße darauf, abgefahren zu werden, immer Tempo 40 – damit die Tiere, zu deren Beobachtung man schließlich gekommen ist, nicht gestört werden. Ab sofort darf nur noch geflüstert werden.

Flüsse, Dämme und Wasserlöcher sind in der Wildnis des Kruger Parks gewissenhaft ausgeschildert, doch hat jeder Führer seinen ganz persönlichen Geheimtip: Nashörner, Elefanten, Antilopen satt, wenn man nur den richtigen Tümpel ansteuert. Wo manch einer einen vermeintlichen Autoreifen im Wasser als Umweltfrevel qualifiziert und mit Nichtbeachtung straft, erspäht kurz darauf ein anderer seinen ersten veritablen Hippopotamus, der alle fünf Minuten auftaucht und die Nüstern bläht. Elefantenbabys, die die Trasse kreuzen, lösen wahre Begeisterungsstürme aus – wo man doch leise sein wollte. Antilopen und Giraffen sind auf Dauer doch recht fad, der Gepard beim Riß läßt auf sich warten. Mittlerweile ist es richtig heiß, und der Löwe leckt sich im Schatten der tropischen Vegetation gelangweilt die Pfoten. Der König der Tierwelt hat seinen großzügigen Tag und überläßt das niedergestreckte Zebra am Rande des Asphalts Geiern und Hyänen.

Und zurück geht's ins menschliche Gehege. Wer die Schließzeiten der Restcamps nicht berücksichtigt oder den Park nicht rechtzeitig verläßt, muß mit empfindlichen Geldstrafen rechnen. Die Landrover durchfahren pünktlich den sichernden Zaun; unter dem Strohdach zahlloser Steinrundbauten reichen schwarze Diener Tee, lassen schon das Badewasser ein. Schon bald ist es dunkle Nacht. Vor dem Dinner bleibt noch Zeit: für einen Plausch mit einem Ranger, für ein pädagogisch sinnvolles Video über die gelungene Symbiose von Mensch und Tier im Reservat – oder für den Kauf einer Dia-Serie mit Motiven, die man selbst nicht vor die Linse bekam. Henk Raijer