Schwarzer, Grüner, Fuchsjäger

Fuck the city: Wie eine einfache Pressekonferenz zweier Faustkämpfer am Ende für tiefe Zerknirschung bei allen Beteiligten sorgte  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Klappern gehört zum Handwerk – vor allem, wenn es darum geht, einen Boxkampf zwischen zwei vermeintlichen Langweilern anzupreisen. Am 18. März prügeln sich der Brite Chris Eubank und der Ire Steve Collins in dem südirischen Dorf Millstreet – wo vor zwei Jahren das Wettsingen um den Grand Prix Eurovision stattfand – um die WBO-Weltmeisterschaft im Super-Mittelgewicht. Im Dubliner Jury's Hotel gab es dazu eine Pressekonferenz.

Titelverteidiger Eubank, der meist in viktorianischer Bekleidung samt Monokel zu Pressekonferenzen erscheint, trug diesmal einen völlig normalen Anzug. Damit hatte Collins nicht gerechnet: Um es mit Eubanks berüchtigter Exzentrik aufnehmen zu können, war er im großkarierten Tweedjackett mit passender Tweedmütze auf dem Kopf, Fliege am Hals und einem riesigen irischen Wolfhound an der Leine gekommen. Perfekt glich er einem protestantischen Landadeligen auf dem Weg zur Fuchsjagd. Der Hund durfte aus Sicherheitsgründen allerdings nicht mit ins Hotel, was die Aufmachung des Herausforderers noch um einiges lächerlicher wirken ließ.

Zunächst ging alles gut. Collins umarmte Eubank, was sich aber bald als pure Heuchelei entpuppte. Er werde Eubank den Gefallen tun, ihn zu besiegen, tönte Collins und pseudo-philosophierte: „Um wahre Größe zu erreichen, muß man die Niederlage kennengelernt haben.“ Man müsse damit umgehen können „und danach wieder an die Spitze zurückkehren“. Das interessierte Chris Eubank jedoch ganz und gar nicht: „Ruhm und Ehre sind für Gott. Mein einziger Wunsch ist es, reich zu sein.“ Was habe er schließlich davon, „der große Eubank“ zu sein, „wenn die Leute Mitleid mit mir haben müssen, weil ich mir kein Auto leisten oder meine Kinder nicht in die Schule schicken kann“.

Er habe Eubank bereits eine Revanche angeboten, fuhr Collins ungerührt und gönnerhaft fort, denn der Ausgang des Kampfes im März stehe längst fest. „Ich werde gewinnen, daran gibt es keinen Zweifel. Wenn Chris Eubank sich aussuchen könnte, wer ihn besiegt, würde er mich wählen, weil ich das verdiene.“

Das sah Eubank freilich anders. „Was heißt hier verdienen“, monierte er und bemühte ein Beispiel, das beidbeinig hinkte: „Die Menschen in Afrika verdienen auch nicht, daß sie hungern.“ Das inspirierte Collins zu einem verbalen Schwinger unter die Gürtellinie: „Ich bin Ire, und ich werde immer Ire sein“, erteilte er seinem Kontrahenten eine Lehre im Staatsbürgerrecht, „aber du tust ja bloß so, als seist du Engländer. Das bist du gar nicht, sondern du verleugnest deine afrikanischen Wurzeln.“ Eindeutig ein wunder Punkt. „Steve kriegt eins auf die Fresse“, entgegnete Eubank trocken, stand auf und ging.

Der Dubliner Bürgermeister John Gormley von der Grünen Partei eilte ihm nach und versuchte die peinliche Situation durch ein wenig Smalltalk zu retten. Es sei doch schade, daß er so schnell nach London zurückfahre und gar nichts von der irischen Hauptstadt sehe, sagte er bedauernd zu Eubank. „Fuck the city“, platzte dem nun der Kragen. „Schluß mit den verdammten Nettigkeiten. Ich bin hier, um zu boxen.“ Und falls Gormley es nicht richtig verstanden haben sollte, wiederholte er noch ein paarmal: „Fuck the city! Fuck the city!“

Am Abend verlangten alle eine öffentliche Entschuldigung: Eubank von Collins für dessen rassistische Entgleisung, Gormley von Eubank für die Beleidigung Dublins, und Mel Christle, der Präsident des irischen Boxverbandes, von Eubank und Collins für die verpatzte Pressekonferenz.

Nur bei dem Wolfhound, der vor dem Hotel einsam im Regen saß, muß sich offenbar niemand entschuldigen.