Metallgesellschaft wird kleingekocht

■ Konzernergebnis von 100 Millionen Mark plus 1994/95 prognostiziert – bei 4 Milliarden DM Verlustvortrag

Frankfurt/Main (taz) – „Der Laden kocht.“ Mit einer gehörigen Portion Galgenhumor kommentierte der Vorstandsvorsitzende der Metallgesellschaft AG (MG), Kajo Neukirchen, gestern auf der Bilanzpressekonferenz die Versuche von Vorstand und Aufsichtsrat, den einst renommierten Konzern aus der „schwersten Krise seiner 100jährigen Geschichte“ zu führen. Der Laden wird kleingekocht: Die AG schrumpft zur strategischen Holding ohne operatives Geschäft. Der Konzern reduziert seine Aktivitäten auf die vier Kernbereiche Handel, Anlagenbau, Chemie und Finanzdienstleistungen. Im Zuge „desinvestiver“ Maßnahmen trennt er sich von angeblich kränkelnden Tochtergesellschaften im In- und Ausland. Darunter sollen auch „Perlen“ gewesen sein, die der Vorstand zu „Modeschmuckpreisen“ verschleudert hat, glauben Kritiker.

Doch Totgesagte leben länger, verkündete Neukirchen. Und wer die Krise als Chance begreife, der könne sich am Ende gar am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Doch der Mühlstein, der Neukirchen und seinen Kollegen dabei am Halse hängt, hat beträchtliche Dimensionen. Das Desaster bei der MG-Tochter MG Corp./USA in den Jahren 1991 bis 1993 hat dem Konzern Verluste in Höhe von 3,3 Milliarden DM beschert. Und das finanzielle und operative Engagement der MG Corp. bei der Beteiligungsgesellschaft Castle/ USA riß noch einmal ein Loch von 700 Millionen DM in die Bilanz. Der überschuldete Konzern überlebte das Geschäftsjahr 1992/93 nur, weil die rund 100 Gläubigerbanken das von Neukirchen im Januar 1994 vorgestellte Sanierungskonzept akteptierten. Exakt 4 Milliarden DM beträgt der Verlustvortrag, den die MG in die „neue Zeit“ (Neukirchen) einbringt. Die „neue MG“ konnte ihre Bankschulden von 7,353 Milliarden DM Ende 1993 auf 3,175 Millarden DM (Stand: 30. 9. 94) reduzieren.

Nicht nur deshalb sei die Holding MG AG „erfolgreich“ in das neue Geschäftsjahr 1994/95 gestartet, sagte Neukirchen, ohne rot zu werden. Denn von Oktober bis Dezember habe der Konzern ein Ergebnis vor Steuern von 14 Millionen DM erzielt. Das könnten am Ende 100 Millionen werden, so Neukirchen mit Blick auf das laufende Geschäftsjahr. Im Vergleich mit dem operativen Ergebnis von 1993/94 von minus 1,4 Milliarden DM wurde Neukirchen gar euphorisch: „Die MG lebt. Und es geht ihr derzeit so gut, wie schon seit Jahren nicht.“

Doch der Vorstand mußte auf der Bilanzpressekonfernz auch einräumen, daß die Verträge mit den Banken noch nicht unter Dach und Fach sind. „Aber das kriegen wir schon hin“, meinte Neukirchen. Auch aus den Knebelverträgen mit Castle will die Holding MG AG noch in diesem Jahr aussteigen. Doch noch hängt die MG Corp. dem Konzern wie ein Klotz am Bein. Verluste aus den Ölgeschäften der US-Tochter, die MG in die Existenzkrise trieben, mußten auch im abgelaufenen Geschäftsjahr konstatiert werden. Das Öl/Gas-Geschäft werde deshalb auf kleiner Flamme weiterbetrieben. Und gleich zwei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften arbeiten daran, die Bedingungen für eine Abnabelung der MG Corp. aus dem Konzern zu eruieren. Der Umsatz bei MG Corp. fiel von 8 Milliarden DM 1991 auf 1,5 Milliarden DM im Berichtsjahr 93/94.

Der Hauptschuldige an dem ganzen Desaster bei der MG ist der Ex-Vorstandsvorsitzende der MG und einstige Manager des Jahres, Heinz Schimmelbusch — so glaubt der Vorstand und mit ihm die Gutachter von C&L Treuarbeit/Deutsche Revision und von Wollert-Elmendorff/Deutsche Industie Treuhand. Der klagt in New York gegen die MG-Verantwortlichen wegen Verleumdung. Geprellte US- Aktionäre klagen wiederum bei der MG ihre Verluste ein. Und der Aufsichtsrat der MG klagt gegen Schimmelbusch. In den „gerichtlichen Tartarenmeldungen“, so der Justitiar der MG, geht es inzwischen auch um eine offenbar von Schimmelbusch überteuert angekaufte alte Rothschildvilla in Frankfurt und um ein Appartment in New York im Wert von 250.000 US-Dollar. Der MG-Skandal – eine Familienaffäre. Klaus-Peter Klingelschmitt